Amateurboxen im Osten vor dem K.o.

Nach Plänen des DBV stehen die Leistungszentren in Berlin, Schwerin und Cottbus auf der Kippe

Bei den deutschen Amateurbox-Meisterschaften letztes Wochenende in Riesa wollte so recht keiner mit der Sprache herausrücken. Vom drohenden K.o. des Boxsports im Osten wurde zumeist nur hinter vorgehaltener Hand geredet.
Da wurde nämlich erzählt, dass die ostdeutschen Boxzentren in Schwerin, Cottbus und Berlin vor der Schließung stehen. Möglicherweise wird auch Halle im nächsten Jahr geschlossen. Ein Vorgang, der vor allem an der Basis viel Unmut auslöste und überhaupt sehr umstritten ist, weil man damit den völligen K.o. des Amateurboxens befürchtet. Das Vorgehen ist noch umso merkwürdiger, weil selbst die Betroffenen keine Details und bestenfalls nur die »Gerüchte« kennen.
Berlins Verbandspräsident: »Das ist alles Blödsinn«
Schließlich bequemte sich auf einer Pressekonferenz auf ND-Nachfrage Chef-Bundestrainer Helmut Ranze (Worms), endlich mit der Sprache herauszurücken. Dem anwesenden Präsidenten des Deutschen Boxsport-Verbandes, Paul Forschbach (Ernsgaden), hatte es im wahrsten Sinne des Wortes die Stimme verschlagen - was so recht ins momentane Bild des DBV passte. Er gab das Wort an Ranze weiter.
Weitschweifig erklärte der Chef-Bundestrainer das »Förderkonzept 2005 bis 2008«: Es werde künftig mit Frankfurt (Oder) und Heidelberg zwei Hauptzentren für die A-Kader geben. Die Bundesstützpunkte für den Nachwuchs in Berlin und Schwerin seien »noch umstritten«. Halle solle möglichst weitergeführt werden, und Cottbus sei sowieso kein Stützpunkt gewesen. Konzentration der Kräfte und der Finanzmittel sei angesagt. Im Äbrigen gebe es ja noch »die Landesleistungszentren, die aus Landesmitteln gefördert werden«. Fairerweise fügte Ranze hinzu: »Diese Mittel werden aber auch immer geringer.«
Berlins Landesverbands-Präsident Hans-Peter Miesner reagierte reichlich verärgert über die DBV-Pläne und meinte salopp: »Das ist doch alles Blödsinn, was man da vorhat.« In Halle, wo der langjährige Macher und verdienstvolle Trainer Hans-Jürgen Wille (64 Jahre) nächstes Jahr in den Ruhestand gehen wird, dürfte mit dem Ende der Wille-Ära auch ein drastischer Einschnitt erfolgen, der auf die Schließung des Zentrums hinausläuft.
»Wenn es nach mir ginge, würde ich solange weitermachen, wie man mich weitermachen lässt. Aber es wird wohl anders kommen«, befürchtet Wille. Seine Top-Leute wie der zweifache WM-Dritte Steffen Kretschmann (24), der auf einen Meisterschaftsstart in Riesa im Superschwergewicht verzichtet hatte, und der Halbschwergewichtler Tino Groß (24), der vor drei Wochen Dritter der Militär-WM wurde und sich in Riesa seinen zweiten Meistergürtel holte, sind schon darauf eingestellt, dass sie nach Frankfurt (Oder) wechseln müssen.
Dietmar Schnieber, langjähriger Trainer in Cottbus, schüttelte nur noch mit dem Kopf. »Mit uns in Cottbus hat noch niemand vom DBV geredet, wie es überhaupt weitergeht. Ich habe die Schnauze voll. Es macht keinen Spaß mehr«, äußerte der 51-Jährige, der in Riesa Leichtgewichtler Enrico Wagner (21 Jahre) zum dritten Titelgewinn in Folge führte und den Ex-Meister Thomas Märkisch (22 Jahre) bis ins Fliegengewichts-Finale brachte.

Ohne starken Unterbau keine starke Spitze
Uwe Behrendt, 1. Vizepräsident des Box-Verbandes Mecklenburg-Vorpommern, bestätigte die DBV-Überlegungen: »Das Bundesleistungszentrum Schwerin steht auf der Kippe.« Natürlich sei »überall im Osten wie im Westen die Leistungsstärke im Boxen ausgedünnt und nicht mehr so wie früher. Es fehlen die Leistungsträger«, sieht der 64-Jährige die Lage realistisch. »Das zwingt zur Konzentration der wenigen Talente zu den besten Trainern. Aber die beabsichtigte Schließung von Stützpunkten führt zwangsläufig dazu, dass die Leistungsbreite immer mehr verloren geht und es auch immer schwieriger wird, die wenigen Talente in der Region zu fördern. Sinnvoller wäre es, die Leistungsentwicklung auf eine breite Basis zu stellen. Das hieße, flächendeckend Leistungsstützpunkte zu bilden statt sie zu reduzieren. Wenn es keinen starken Unterbau mehr gibt, gibt es auch eine leistungsstarke Spitze mehr.«
In Mecklenburg-Vorpommern stütze man sich gegenwärtig auf 34 Vereine und rund 1400 Mitglieder, darunter sind aber nur 600 aktive Boxer. Mit dem BC 04 Hansestadt Demmin (1. Liga) und dem neuen BSC Schwerin (2. Liga) stehen zwei Mannschaften in den Bundesligen. »Natürlich gibt es eine Leistungslücke«, sagt Uwe Behrendt. »In den Jahren von 1991 und 2004 stellten wir 110 deutsche Meister im Nachwuchs. Als Landesverband waren wir so erfolgreich wie kein zweiter. Aber nur die allerwenigsten dieser vielen Nachwuchsmeister sind oben, bei den Erwachsenen, angekommen. Doch diese Leistungslücke korrigieren wird nicht dadurch, dass man Zentren schließt.«

Otto Ramin sieht noch nicht das Ende
Otto Ramin, einst einer der Erfolgstrainer im DDR-Boxsport, sieht noch lange nicht sein Ende als Bundesstützpunkttrainer. »Abwarten«, sagt der 58-jährige Coach von Halbweltergewichtler Martin Dreßen, der 2003 WM-Dritter wurde und damit die erste WM-Medaille für Schwerin nach 12 (!) Jahren holte.
Otto Ramin kümmert sich zusammen mit Willi Ramin und Karsten Röwer auch um den Nachwuchs beim BSC Schwerin. »Wir haben seit der Neugründung des BSC Schwerin im November 2002 eine starke Nachwuchabteilung mit 60 Kindern aufgebaut. Nächstes Jahr wollen wir wieder in der 1. Bundesliga präsent sein.« Dort hatte sich der 19fache deutsche Mannschaftsmeister (einst als SC Traktor Schwerin, später als Schweriner SC) aus personellen und finanziellen Gründen 2001 abgemeldet. Ob die Rückkehr in die 1. Liga aber tatsächlich wahr wird, hängt nicht zuletzt auch davon ab, ob Schwerin im Förderkonz...

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