Studieren: Ein Privileg?

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: ca. 1.5 Min.
Dieser Tage beginnt für die meisten Studenten in Deutschland ein neues Semester. Studieren ist in Deutschland schon lange kein Privileg mehr für die oberen Einkommensschichten - dank dem vor knapp 30 Jahren eingeführten Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Aus Eliteschmieden für die Söhne und Töchter des Großbürgertums wurden Massenuniversitäten für Otto Normalstudent. Soweit ein Teil der Wahrheit. Oberflächlich betrachtet stimmt diese Zustandsbeschreibung ja. Es studieren heute in der Tat deutlich mehr junge Menschen aus mittleren oder niedrigen Einkommensschichten als noch in den 60er Jahren. Doch ein wesentliches Ziel der damaligen BAföG-Reform - gleiche Chancen beim Bildungszugang für alle - ist nach wie vor nicht erreicht. Das Deutsche Studentenwerk beklagte vor wenigen Tagen erst die soziale Schieflage im deutschen Bildungssystem. 72 Prozent der Kinder aus gehobenen Verhältnissen besuchen eine Hochschule oder Universität, dagegen entscheiden sich nur acht Prozent des Nachwuchses unterer Einkommensschichten für ein Studium. In den östlichen Bundesländern liegt dieser Anteil gar nur bei vier bis sechs Prozent. Da vorausgesetzt werden kann, dass das Begabungspotenzial der nachwachsenden Generation unabhängig vom monatlichen Gehalt der Eltern ist, bedeutet dies eine Verschwendung von intellektuellen, letztlich auch ökonomischen Ressourcen. Für dieses Missverhältnis trägt die vor drei Jahren abgewählte Bundesregierung maßgeblich Mitschuld. In der Ära Kohl wurde das BAföG kaputt gespart, in dem es zum Stopfen von Haushaltslöchern verwendet wurde. Die BAföG-Novelle der rot-grünen Bundesregierung hat zumindest dazu geführt, dass mittlerweile wieder mehr Anträge auf Studienförderung gestellt werden: Ein Plus von 20 Prozent verzeichnet das Deutsche Studentenwerk. Das ist erfreulich, wenn auch nur ein kleiner Schritt. Der voraussichtliche Anstieg der Zahl der Bafög-geförderten in diesem Wintersemester von 230000 auf knapp 300000 ist zu wenig angesichts von 1,7 Millionen Studenten an deutschen Hochschulen und Universitäten. Die Mehrzahl der Studierenden wird also auch weiterhin auf Nebenjobs oder auf ein begütertes Elternhaus angewiesen sein, zumal selbst mit dem angehobenen maximalen Förderbetrag von 1140 Mark im Monat ein Studentenleben im 21. Jahrhundert nicht voll finanziert werden kann. Das wirkt abschreckend - vor allem auf j...

Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.

Bitte aktivieren Sie Cookies, um sich einloggen zu können.

- Anzeige -
- Anzeige -