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Zehn Jahre Haft für Mitglied der XY-Bande
Erster Prozess zu organisierter Kriminalität in Neuruppin / Stadt: Haben Konsequenzen gezogen
Kurze dunkle Haare, braune Lederjacke mit Bündchen- eher unscheinbar wirkte der Drogendealer Mario L., der als erstes Mitglied der so genannten XY-Bande auf der Anklagebank des Landgerichts Neuruppin saß. Doch der Strafprozess gegen die bisher größte organisierte Drogenbande in Brandenburg, der am Donnerstag begann, besitzt einiges an Sprengstoff. Schließlich soll mit Olaf Kamrath ein örtlicher CDU-Stadtverordneter an der Spitze der Bande stehen. Und auch ein Polizist und mehrere leitende städtische Angestellte sollen verwickelt sein.
Die Verhandlung wurde begleitet von scharfen Sicherheitsvorkehrungen: Strenge Personen- und Taschenkontrollen, die Polizei sammelte Handys, Aufnahmegeräte und Fotoapparate ein. Rund ein Dutzend vermummte SEK-Beamte mit Maschinenpistolen bewachten den Verhandlungssaal des backsteinroten Gerichtsgebäudes.
Zum Prozessauftakt gab es Morddrohungen gegen den Angeklagten- vermutlich aus der Führungsebene der Bande, wie der Verteidiger sagte. Er begründete mit den Drohungen seinen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit, dem das Gericht folgte.
Die Richter befanden Mario L. des Drogenhandels und der Beihilfe zum bandenmäßigen Drogenhandel für schuldig. Der 37-Jährige kam mit einem milden Urteil davon. Das Gericht stockte eine sieben Jahre und neun Monate lange Vorstrafe des seit zwei Jahren bereits einsitzenden Dealers auf eine Gesamtstrafe von lediglich zehn Jahren auf. Das legt den Schluss nahe, dass der Angeklagte hinter verschlossener Tür über die Hintermänner und die Strukturen der XY-Bande plauderte. Zuvor hatten sich verdeckte Ermittler schon fünf Jahre lang gemüht, ohne jedoch wichtige Erkenntnislücken schließen zu können.Es geht um ein straff organisiertes Kartell, das Teile des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens in Neuruppin über Jahre hinweg unterwandert und beherrscht haben soll. An der Spitze der kriminellen Vereinigung vermuten Staatsanwaltschaft und Polizei den CDU-Stadtverordneten Kamrath. Der 36-jährige Kommunalpolitiker galt als örtliche Nachwuchshoffnung der Union und machte im städtischen Finanz- und Rechnungsprüfungsausschuss Karriere.
Parallel dazu spann er jedoch offenbar sein kriminelles Netz, dem leitende städtische Angestellte, ein Polizist, Unternehmer und andere ohne Rücksicht auf ihre jeweilige Parteizugehörigkeit angehört haben sollen. Die Mitglieder der Bande erkannten sich mehr oder weniger öffentlich an einem XY nach dem Ortskennzeichen im Nummernschild.
Seine Drogenmillionen investierte das Kartell nach Erkenntnissen des Landeskriminalamtes in Immobilien. Es betrieb in Berlin, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern Spielotheken, Nachtbars und Bordelle. Nach Deutschland eingeschleuste Prostituierte aus Osteuropa und illegales Glücksspiel füllten demnach neben dem Kerngeschäft mit Kokain, Marihuana und Ecstasy die Kassen.
Kamrath wurde durch die Aussagen von Mario L. am Donnerstag schwer belastet. Seit August sitzt der einstige Vorzeigeunternehmer in Untersuchungshaft. Gegen ihn und andere mutmaßliche führende Bandenmitglieder dürfte spätestens im Februar Anklage erhoben werden. Die kriminellen Machenschaften des CDU-Mannes sind auch für Innenminister und CDU-Landeschef Jörg Schönbohm ein Problem. Er sprach von einer »unglaublichen Verfilzung«, die ihm Sorgen mache.
Nach eigenen Angaben zog die Stadt Neuruppin inzwischen Konsequenzen. Die Korruptionsprävention sei ausgeweitet worden, sagte die amtierende Bürgermeisteri...
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