Mit der Bahn auf das Dach Europas

Seit dem 12. Dezember gibt es eine Direktverbindung von Berlin nach Interlaken und von dort aufs Jungfraujoch

Mit 3970 Meter ist der Eiger längst nicht der höchste Berg der Schweiz, einer der berühmtesten allemal. An seiner Besteigung versuchten sich seit ewigen Zeiten viele mutige Bergsteiger. Der Erste, der im August 1858 den Gipfel erreichte, war der Ire Charles Barrington. Er hatte es von der »leichten« Westflanke aus gewagt, die gefürchtete Nordwand hingegen ließ sich erst im Sommer 1938 von zwei Deutschen und zwei Österreichern bezwingen. Sie wurden als Helden verehrt, ihr Ruhm lockte unzählige Bergsteiger aus aller Welt an. Nicht wenige bezahlten ihre Abenteuerlust mit dem Leben. Doch wer es schaffte, schwärmte zeitlebens von dem gigantischen Blick auf die berühmte »Dreifaltigkeit« Eiger, Mönch und Jungfrau.
Wie Recht sie hatten weiß, wer es ihnen nachmacht. Ich habs probiert, und Sie können das auch. Zugegeben, statt in den Seilen an der Wand zu hängen, entschied ich mich lieber für bequeme Sessel während des »Aufstiegs«, und - da ich Höhenangst habe - bevorzugte ich den Blick vom Inneren der Eiger Nordwand durch eine sichere Glasscheibe auf das grandiose Alpenpanorama.
Wir beginnen unsere Tour in Berlin-Ostbahnhof. Von hier fährt seit dem Fahrplanwechsel am 12. Dezember zweimal täglich ein ICE direkt nach Interlaken im Berner Oberland. Dort kann man sein »Basislager« aufschlagen, bevor es am nächsten Tag aufs Jungfraujoch geht. Denn die Eiger Nordwand ist nur Zwischenstation der Reise. Bis zur Kleinen Scheidegg auf 2061 Metern ü.M. fährt man von Interlaken mit einer normalen Bergbahn, von dort mit der Jungfraubahn, einer Zahnradbahn, die ihre Passagiere aufs »Dach Europas« befördert, wo sich in 3454 Metern ü.M. die höchstgelegene Bahnstation Europas befindet.
Die zwölf Kilometer bis an sein Ziel legt die Jungfraubahn zum größten Teil durch einen Tunnel im Fels zurück. An zwei Stellen gibt es einen Zwischenhalt, wo man durch »Tunnelfenster« auf die Bergwelt schauen kann: Auf der Station Eigerwand (2865 m ü.M.) aus der Eiger Nordwand heraus auf Grindelwald, die Kleine Scheidegg, nach Interlaken bis zum Thunersee, von der Station Eismeer (3160 m ü.M.) auf eine bizarre Gletscherwelt. Auf dem Jungfraujoch angekommen, erschließt sich dem Besucher eine Märchenwelt aus Eis und Schnee. Einen herrlichen Ausblick hat man auf den Aletschgletscher, mit 22 Kilometer der längste der Alpen. Er wurde im Dezember 2001 auf die UNESCO-Welterbeliste gesetzt. Zu den Attraktionen auf dem Dach Europas gehören aber auch die Aussichtsterrasse, mit 3571 m ü.M. mehr als 100 Meter über dem Jungfraujoch, und der Eispalast, der mit Hallen und langen Gängen in mühevoller Handarbeit aus dem Gletschereis geschnitten wurde. Außerdem befinden sich im Berghaus auf dem Joch verschiedene Restaurants, die höchstgelegene Poststelle Europas und eine Confiserie, in der mit den »Eigerspitzli« aus Schokolade und Nougat im wahrsten Sinne des Wortes ein Spitzenprodukt entsteht.
Bereits 1922 wurde auf dem Jungfraujoch eine Wetterstation eingerichtet, zunächst in einem Holzpavillon, seit 1938 im Sphinx-Observatorium. Heute ist sie nicht nur eine der am modernsten ausgerüsteten der Welt, sondern zugleich die höchstgelegene Europas, auf der ständig Forscher leben. Auch am heutigen Silvesterabend. Dienst zum Jahreswechsel haben Martin Fischer und seine Frau Joan. Rund um die Uhr alle drei Stunden senden sie von hier die Wettermeldungen nach Zürich und betreuen die wissenschaftlichen Geräte. Dennoch bleibt genug Zeit, gemeinsam mit einem Mitarbeiter der Jungfraubahn und dessen Lebensgefährtin ein gutes Essen zu genießen und auf das neue Jahr anzustoßen. Wie Martin Fischer sagte, ist Silvester auf dem Dach Europas eigentlich genau so, wie einige tausend Meter tiefer im Tal. Mit einer entscheidenden Ausnahme - die Feuerwerke in den umliegenden Orten schauen sich die Vier von oben an. Für die Fischers ist es bereits das dritte Silvester auf dem Jungfraujoch.
Dass die Forscher und jährlich rund 500000 Besucher dieses überhaupt »besteigen« können, verdanken sie dem Schweizer Industriellen Adolf Guyer-Zeller. Der war 1893 während einer Alpenwanderung so vom Anblick des Dreigestirns Eiger, Mönch und Jungfrau überwältigt, dass er die Idee zu einer Bahnstrecke auf die Jungfrau zu Papier brachte. Zwar hatten andere vor ihm bereits von einer »Himmelsbahn« geträumt, doch dabei blieb es. Guyer-Zeller schwärmte der Landesregierung von der Schönheit der Alpenwelt vor, die durch die Bahn allen zugänglich werden sollte. Dass der Bau letztlich genehmigt wurde, war aber wohl weniger seiner blumigen Prosa zu verdanken als vielmehr der Tatsache, dass er 100000 Franken aus eigener Tasche für die Einrichtung einer Wetterstation auf dem Jungfraujoch versprach.
1896 begann der Bau der Bahnlinie. Aus geplanten sieben Jahren wurden letztlich 16, ehe der erste Zug fuhr, statt zehn Millionen Schweizer Franken verschlang das Bauwerk 15 Millionen. Die Einweihung der Bahn am 1. August 1912 erlebte Guyer-Zeller nicht mehr. Er starb bereits 1899 mit nur 60 Jahren. Seine Prophezeihung, dass das Unternehmen ein großer Erfolg werde, trat indes ein. Bereits im ersten Jahr schrieb die Jungfraubahn schwarze Zahlen, nur einmal in ihrer Geschichte fuhr sie einen Verlust ein.
Übrigens: Auch wenn die Eiger Nordwand heute gewissermaßen für jeden zu erklimmen ist, rund 200 Alpinisten nehmen jährlich den beschwerlicheren Weg über die Außenwand. Dank modernerer Klettertechniken, besserer Vorbereitung und Ausrüstung sind seit 1988 auch alle lebend zurückgekommen.
Wir beenden unsere »Besteigung« im ICE in Interlaken der uns in neun Stunden zurück nach Berlin bringt.
Nach Interlaken gibt es täglich 6.37 Uhr und 12.39 Uhr ab Berlin-Ostbahnhof eine ICE-Direktverbindung. Infos: www.bahn.de
Mit der Fahrplanwechsel am 12. Dezember erschien gleichzeitig die Broschüre »ICE+Hotel« mit zahlreichen preisgünstigen Package-Angeboten ins Berner Oberland. Zu erhalten im DB ReiseZentrum oder bei Jungfrau Tours AG, Strandbadstraße 3, CH-3800 Interlaken, Tel.: (0041)3382832-32, Fax: -39, E-Mail: Info@jungfrautours.ch
Interlaken Tourismus, Höheweg 37, CH-3800 Interlaken, Tel.: (0041)3382653-00, Fax: -75, E-Mail: mail@interlakentourism.ch, Internet: www.interlakentourism.ch
Jungfraubahnen, Harderstraße 14, CH-3800 Interlaken, Tel.: (0041)33828-7111, Fax: -7264, E-Mail: jb@jungfrau.ch, Internet: www.jungfraubahn.ch
Infos zur Sch...

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