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Wo sich Kunst und Handwerk treffen
Die Töpfer von Vallauris inspirierten Pablo Picasso und Jean Marais
»Picasso hat gesagt "Ich suche nicht, ich finde!". Und ich, Etienne de Gras, sage: Das Wichtigste ist das Suchen!« Ein Zettel mit diesem Text ziert die Tür eines Souvenirgeschäfts in der Avenue Georges Clemenceau in Vallauris. Der Verfasser versucht, sich mit dem Ehrenbürger des Städtchens im Hinterland der Côte d'Azur zu messen. In Vallauris (gesprochen: Wallorieß), zwischen Antibes und Cannes gelegen, begegnet man auf Schritt und Tritt Spuren des berühmten Künstlers.
Vallauris ist eigentlich ein Doppelort, dessen einer Teil, Golfe-Juan, sich als modernes Badeparadies direkt am Meer darbietet, und dessen zweiter Teil, das alte Vallauris, drei Kilometer landeinwärts zwischen Hügeln liegt. Ausgedehnte Tonvorkommen ließen hier eines der ältesten Handwerke, die Töpferei, erblühen. Schon in römischer Zeit, aus der sich auch der Ortsname herleiten soll (von Vallis Aurea - Tal des Goldes) wurden in der Gegend Töpferwaren hergestellt. Ende des 19. Jahrhunderts, mit der Entwicklung des Verkehrswesens, der Einführung des bunten Emails und der Metallglanzglasur, nahm die »Poterie de Vallauris« einen stürmischen Aufschwung. Die Weltwirtschaftskrise 1930 und das Aufkommen neuer Materialien für Küchengegenstände wie Gusseisen, Aluminium oder Edelstahl unterbrachen jedoch diese Entwicklung. Vielleicht wäre das alte Handwerk überhaupt auf der Strecke geblieben, wenn es nicht engagierte Künstler und am Kunsthandwerk interessierte Töpfer gegeben hätte. Handwerk und Kunst gingen in Vallauris eine Verbindung ein und begründeten so den heutigen Ruf des Ortes als Zentrum französischer Kunsttöpferei.
Vor allem der Name Pablo Picasso steht dafür. Der spanische Maler und Bildhauer hatte sich 1948 für sieben Jahre in Vallauris niedergelassen. In der Keramik-Werkstatt »Madoura« des Ehepaares Suzanne und George Ramié erlernte er die Fähigkeiten eines Töpfers und erschloss sich ein völlig neues künstlerisches Feld. Über 4000 Original-Keramiken, von denen viele in Picassos eigener Werkstatt in Vallauris, dem »Atelier du Fournas«, entstanden, zeugen von dieser Schaffensperiode. In der heutigen »Galerie Madoura« gibt es eine ständige Ausstellung mit Werken des Künstlers. Hier kann man auch Nachbildungen von rund 600 Keramiken, die Picasso extra für diesen Zweck ausgesucht hatte, kaufen. »Madoura« besitzt die alleinigen Exklusivrechte für die Herstellung und den Verkauf der streng limitierten Repliken. Die einstige Werkstatt des Künstlers in der Avenue Pablo Picasso 95 ist jetzt ein von Annick Lax exklusiv und zugleich familiär geführtes »Chambres d'Hôtes« (Gästehaus), dessen sechs Zimmer nur im Sommer vermietet werden. Im Töpfermuseum in der Rue Sicard kann man übrigens Picasso begegnen, wenn auch nur in Wachs.
Pablo Picasso hat dem Ort ein wertvolles künstlerisches Geschenk gemacht: Die berühmte Bronzeskulptur »l'Homme au mouton« (Mann mit Schaf), die auf dem zentralen Platz steht. Dem französischen Staat schenkte er die Wandbilder »Der Krieg und Der Frieden«, die er 1952 für die Schlosskapelle von Vallauris schuf. Sie gehören wie »Guernica« (1937), »Massacre en Corée« oder die weltberühmte Lithografie »Die Taube« zu Picassos damaligem Engagement für den Frieden. Das Schloss von Vallauris beherbergt jetzt das Nationale Picasso-Museum.
Heute existieren in Vallauris wieder rund 40 Kunsttöpfereien, in denen insgesamt weit über hundert Handwerker arbeiten. Zu ihnen gehört Christian Schertenleib. Er erklärt dem Besucher, dass man in der Regel fünf Jahre braucht, um das Tauchen, Drehen, Verzieren und Brennen zu lernen. Und noch weitere zehn Jahre seien notwendig, um in diesem Beruf richtig gut zu sein. So gesehen war Picasso wohl auch hier eine Ausnahmeerscheinung. Dies trifft ebenso auf einen anderen Künstler zu, der 32 Jahre nach Picasso in Vallauris eine Heimat fand und das Töpferhandwerk erlernte: Jean Marais. Der Schauspieler, Maler, Bildhauer und Philosoph schuf in der »cité des potiers« (Töpferstadt) Kunstwerke aus Ton, die sein Leben als Komödiant spiegeln, wie »La Bête« (Die Bestie) oder »Le bras chandelier« (Der Kerzenhalterarm). Viele davon sind im »Espace Jean Marais« zu sehen, der Galerie des 1998 in Vallauris gestorbenen Künstlers in der Avenue des Martyrs de la Résistance.
Heute prägen Keramik-Künstler wie Francis Milici oder Pierre Boncompain, aus alten Töpferfamilien stammend, die Töpferei von Vallauris. Die Keramiker der Stadt haben sich ein Gütesiegel gegeben, das dazu verpflichtet, nach festgelegten Herstellungsprozessen zu arbeiten, bestimmte Materialien zu verwenden und in Vallauris hergestellte Produkte zu signieren und mit einem Zertifikat zu versehen.
Am Ortseingang setzten die Kunsttöpfer von Vallauris ihrem »Kollegen« P...
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