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Früh erkannt ist Blasenkrebs gut heilbar
Bereits 1895 war dem Frankfurter Chirurg Ludwig Rehn aufgefallen, dass die Arbeiter in den Höchster Farbwerken häufiger als andere an Blasenkrebs litten. In der Folge wurden die Anilin-Farbstoffe und ihre Abkömmlinge als Auslöser ermittelt. Aniline gehören, ebenso wie Toludine und Naphtylamine, zur Gruppe der aromatischen Amine. Sie sind Ausgangsprodukte für Arzneimittel, Kunststoffe, Pflanzenschutzmittel und Farbstoffe, oder sie entstehen bei unvollständigen Verbrennungsprozessen in Kokereien, Hütten oder beim Rauchen. Über Haut und Lunge aufgenommen wirken sie zwei bis drei Jahrzehnte im Stillen, bevor es zur Tumorbildung kommen kann. Auch Haarfärbemittel - ausgenommen die pflanzlichen - stehen im Verdacht, das Blasenkrebsrisiko zu erhöhen, weil sie aromatische Amine enthalten. Der Giessener Urologe Prof. Gerson Lüdecke hält Raucher, Lastwagenfahrer, Tankwarte, Frisöre, Metallarbeiter, Reinigungskräfte und Maler für gefährdet.
Das Fatale am Blasenkrebs ist, dass er im Anfangsstadium praktisch keine Beschwerden macht. »Symptome treten beim Blasenkrebs erst auf, wenn der Tumor zerfällt und es blutet, oder wenn der Tumor sich im Blasenausgang verfängt«, erklärt Prof. Jens Erik Altwein vom Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in München. Viele Patienten gingen erst zum Arzt, wenn sie Symptome wie Blut im Urin oder Schmerzen beim Wasserlassen bemerken. Für eine erfolgreiche Behandlung sei es dann meistens zu spät. Zum Zeitpunkt der Diagnose sei bei jedem dritten Betroffenen der Tumor bereits in tiefere Schichten der Blase vorgewachsen, so dass eine organerhaltende Operation kaum mehr ausreicht. Oft bestehen dann Tumor-Absiedlungen in Lymphknoten oder anderen Organen. Lüdecke: »Früherkennung tut Not. Wird die Krankheit nämlich im Anfangsstadium entdeckt, sind die Heilungschancen sehr gut«.
Die Früherkennung sollte ab dem 45. bis 50. Lebensjahr regelmäßig stattfinden. Urologen empfehlen Menschen, die beruflichen Gefahrenstoffen ausgesetzt sind, die Urinzytologie und die NMP22-Untersuchung. Die Urinzytologie ist eine mikroskopische Untersuchungstechnik, die die zellulären Bestandteile des Urins untersucht und beurteilt, ob bösartig veränderte Zellen vorhanden sind. NMP22 ist ein Eiweiß, dessen Nachweis im Urin einen deutlichen Hinweis auf einen wachsenden Blasentumor gibt. Diesen Test bieten viele Urologen Rauchern als individuelle Gesundheitsleistung an; die Kosten werden nicht von den gesetzlichen Kassen bezahlt.
Forscher vom Baylor College of Medicine in Houston haben jetzt herausgefunden, dass der Nachweis des Survivin-Proteins im Urin noch verlässlichere Ergebnisse liefert. Survivin ist ein körpereigenes Protein, das normalerweise nur im Embryonalstadium vorkommt, das aber auch von Krebszellen produziert wird. Auch an der Hautklinik der Uni Würzburg befasst sich die Arbeitsgruppe um Prof. Jürgen Becker mit diesem Protein. Becker hat vor drei Jahren entdeckt, dass das Abwehrsystem auf bestimmte Teile des Survivin-Proteins reagiert. Würde man Menschen mit erhöhtem erblichen Krebsrisiko mit diesen Bruchstücken vorbeugend impfen, könnte das Immunsystem möglicherweise einen Tumor verhindern. Studien laufen zur Zeit für das Melanom, das Prostatakarzinom und Gebärmutterhalskrebs. »Auch für Blasenkrebs wäre solch eine Impfung möglicherweise eines Tages denkbar«, sagt Becker.
Wie lassen sich berufliche und außerberufliche Risikofaktoren für Blasenkrebs auseinander dividieren. Ist der Frisör erkrankt, weil er raucht oder weil er mit Haarfarben hantiert? Dazu läuft am Berufsgenossenschaftlichen Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin an der Ruhr-Universität Bochum die Langzeitstudie ODIN, mit der nach entsprechenden Markern gefahndet wird, die eine Abgrenzung möglich machen. Denn bislang bleibt Betroffenen oft nur der juristische Weg, wenn es um die Anerkennung von Blasenkrebs als Berufskrankheit geht.
Wolfgang Kappler
INFO - www.blasenkrebs.net
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