Verbotene Nazi-Literatur bei Amazon
Unternehmen bedauert »Versehen« und löscht nach entsprechender ND-Recherche Angebote
Beim Internet-Buchkaufhaus Amazon wird mit indizierten und verbotenen rechtsextremen Publikationen gehandelt. Das haben Recherchen von Neues Deutschland ergeben.
Gefunden wurden unter anderem Werke wie der »Auschwitz-Mythos« von Wilhelm Stäglich, »Uns trifft keine Schuld« von Harry Zweifel, »Hinter den Kulissen der Neuen Weltordnung« von Hans Werner Woltersdorf oder »Die verlorene Legion« von Leon Degrelle. Die Angebote stammen von Privatpersonen, Buchhandlungen oder Antiquariaten, die den "Amazon.de Marketplace" und die so genannten zShops für ihre Verkäufe nutzen. Beide Module sind in das Internetangebot von Amazon integriert und gebührenpflichtig. Die dort gelisteten Titel werden bei Suchanfragen automatisch angezeigt. Christine Höger, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit bei Amazon.de, bedauerte gegenüber Neues Deutschland die Rechercheergebnisse. Es handele sich um ein Versehen. Man werde der Sache nachgehen und die Titel schnellstmöglich von den Seiten entfernen. Bis Redaktionsschluss waren tatsächlich erste Angebote gelöscht worden. Höger unterstrich, dass grundsätzlich keine indizierten Artikel über Amazon.de zu beziehen seien. Das gehe klar aus den Richtlinien des Unternehmens für die Nutzung des Marketplace und der zShops hervor. Danach seien die Anbieter verpflichtet »sicherzustellen, dass nur rechtlich einwandfreie Angebote auf der Website gelistet werden«. Der Handel mit beschlagnahmten Büchern ist verboten, der Verkauf von Werken, die auf der Indexliste der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften stehen, streng reglementiert. Sie dürfen nur Personen ab 18 Jahren zugänglich gemacht werden. Zuwiderhandlungen sind strafbar. Das international tätige Unternehmen war bereits mehrfach wegen des Verkaufs rechtsextremer Publikationen in die Kritik geraten. So hatte 1999 das Simon-Wiesenthal-Zentrum dagegen protestiert, dass über das Internet Bücher wie Hitlers »Mein Kampf« von Deutschland aus beim amerikanischen Zweig Amazon.com bestellt werden könnten und dann per Post in die Bundesrepublik ausgeliefert würden. Auf diese Weise werde deutsches Recht umgangen. Amazon.com wies die Vorwürfe damals zurück. Eine Sprecherin erklärte gegenüber der New York Times, man sei »ein US-Laden. Wir betrachten den Vorgang so, als ob ein Deutscher hier diese Bücher kauft.« Zwei Jahre später hat ein Bericht der Fachzeitschrift Internet World für Aufsehen gesorgt, weil das Buch »Vorlesungen über Zeitgeschichte« des Holocaust-Leugners Rudolf Germar alias Ernst Gauss auch etliche Monate nach dem Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Tübingen vom April 2000 noch über Internet-Buchhändler wie Amazon.de und Buchhandel.de zu beziehen war. Amazon.de hatte damals darauf verwiesen, die Indexliste der Bundesprüfstelle sei an diesem Punkt unvollständig gewesen und den Titel aus dem Programm genommen. Dennoch ist das Buch auch jetzt wieder im Angebot eines zShops bei Amazon.de gelistet, wie die Recherchen von Neues Deutschland belegen. Rudolf hat sich Mitte der 90er Jahre ins Ausland abgesetzt, um einer Haftstrafe wegen Volksverhetzung zu entgehen. Heute lebt er in den USA. Er gilt als exponierter Vertreter der internationalen Holocaustleugner-Szene. Abgesehen von verbotenen und indizierten Titeln ist eine große Zahl weiterer rechtsextremer Publikationen bei Amazon.de zu beziehen - wiederum über den Marketplace und die zShops, aber auch aus dem eigenen Sortiment. Dazu gehören Bücher des britischen Holocaust-Leugners David Irving, des rechtsextremen Publizisten Claus Nordbruch oder des früheren Chefideologen der NPD, Dr. Rolf Kosiek. Verlage wie der Grabert-Verlag, der Arndt-Verlag oder die in der Verlagsgesellschaft Berg zusammengeschlossenen Verlage Druffel, Türmer und Vowinckel sind mit Hunderten von Titeln vertreten. Sie werden vom Bundesamt für Verfassungsschutz allesamt dem rechtsextremen Lager zugerechnet. Selbst Bücher aus dem Deutsche-Stimme-Verlag der NPD und dem DSZ-Verlag der DVU können über den Marketplace erworben werden. Grundsätzlich sei es das Ziel, den »Kunden die größtmögliche Auswahl an verschiedenen Titeln bereitzustellen«, die auf dem deutschen Markt frei erhältlich seien, erläutert Unternehmenssprecherin Höger. Ausschlaggebend sei die Einschätzung der Bundesprüfstelle. Konkretere Erläuterungen zum Umgang mit rechtsextremen Publikationen waren von der PR-Abteilung des Hause...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.