Gutscheine statt Geld für Asylbewerber
Berlin läßt sich Schikane einiges kosten Von Marina Mai
Sozialsenatorin Beate Hübner (CDU) zahlt seit Anfang Juni Asylbewerbern die Sozialhilfe nicht mehr als Bargeld, sondern gibt »Checkkarten« aus. Die können nur in drei Läden in Berlin eingelöst werden. Lebensmittel gibt es in neueröffneten Verkaufsstellen: für Asylbewerber aus den Südbezirken in Kreuzberg und aus dem Norden in Reinickendorf. Zum Kauf von Kleidung müssen die Asylbewerber aus der ganzen Stadt bis nach Spandau fahren. Betroffen sind die 2500 Asylbewerber, die in Wohnheimen untergebracht sind. Die anderen erhalten ihre Sozialhilfe von den Bezirksämtern - wie bisher als Geld.
Bargeld statt Gutscheine lautete ein Grundsatz der Sozialpolitik aus der Amtszeit von Ex-Sozialsenatorin Ingrid Stah-
mer. Die SPD-Politikerin hatte gute Gründe: Nicht nur, daß ein Rest Selbstbestimmung von Flüchtlingen dadurch gewahrt wird. Die Auszahlung von Bargeld rechnete sich auch für das Land: Warengutscheine bedeuten einen ungleich höheren Verwaltungsaufwand. Selbst für eine ausländerrechtliche Schulung des Verkaufspersonals hätte das Land aufkommen müssen, argumentierte einst Ingrid Stahmer.
Mit diesem Grundsatz hat ihre Amtsnachfolgerin nun gebrochen. Anlaß ist das seit Monatsanfang veränderte Asylbewerberleistungsgesetz. Das lasse, so die Sozialverwaltung, die Auszahlung von Bargeld nicht mehr zu, von einem Taschengeld abgesehen.
Das sieht Georg Classen, der in der Passionskirchengemeinde Flüchtlinge berät, anders: »Es liegt jetzt genau wie vor dem neuen Gesetz im politischen Ermessen der Länder, den Flüchtlingen Geld
oder Gutscheine zu gewähren.« Bei der Beratung habe er erfahren, daß die Asylbewerber die neue Praxis als »Bevormundung und Entwürdigung« empfinden. Außerdem ist Classen davon überzeugt, daß die Regelung das Land einiges koste. Die öffentlichen Kassen gewährten den Flüchtlingen jetzt einen Zuschuß zum Kauf einer BVG-Sozialkarte, damit sie überhaupt zu den Einkaufsmagazinen gelangen könnten. Zudem sollen die Waren zum Großhandelspreis abgegeben werden. Das hieße, das Land Berlin bezahlt das Verkaufspersonal und die Miete für die Verkaufsstellen, vermutet Classen.
Warum die Sozialverwaltung, die doch Geld sparen muß, solchen Unsinn tut, kann für die PDS-Flüchtlingspolitikerin Karin Hopfmann nur einen Grund haben: »Die Integration der Asylbewerber ist nicht erwünscht. Und das läßt sich Beate Hübner Geld kosten.« Hopfmann sieht eine Parallele zu einer früheren »Schikane« von Hübner, wonach neu eingereiste Asylbewerber in Sammelunterkünften wohnen sollen. Ein Wohnheimplatz koste aber pro Person mindestens 23 Mark pro Tag. Das macht fast 700 Mark im Monat. »Wohnungen sind billiger Und trotzdem sollen die Flüchtlinge in Wohnheime.« Diese Sozialpolitik sei weder sozial im Interesse von hilfsbedürftigen Menschen noch rechne sie sich für das Land, so Hopfmann. »Sie ist einfach der verlängerte Arm der Innenpolitik.«
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