Eine Million mögliche Mitglieder

Die Gewerkschaften finden kaum den Weg an die Universitäten

Etwa die Hälfte der rund zwei Millionen Studierenden verdient einen Großteil des Unterhalts selbst, oft als Aushilfen im Dienstleistungsbereich. Gewerkschaftlich organisiert ist kaum jemand, denn die meisten glauben nicht an feste Arbeitsbeziehungen.

Eigentlich eine banale Erkenntnis, die DGB-Chef Michael Sommer seinerzeit formulierte: Die überalterten Gewerkschaften müssten für junge Menschen attraktiver werden und auf Studenten zugehen. Das ist jetzt fast drei Jahre her. Seitdem hat sich an den Universitäten viel getan - allerdings waren die Arbeitnehmerverbände dabei bestenfalls Partner, häufig sogar im Abseits. Zehntausende Studenten streikten letztes Jahr gegen Studiengebühren, die Gewerkschaften signalisierten Unterstützung. Den Weg in die Arme von ver.di und Co. fanden aber nur wenige Studenten. Mirjam Muhs, beim DGB-Bundesvorstand für Studenten zuständig, will »erst mal Erfahrungen sammeln, was Studenten eigentlich wollen«. Am vergangenen Mittwoch hat nun die Arbeitsgruppe Studierende des ver.di-Bezirks Berlin-Brandenburg unter dem Motto »Sozialdarwinismus oder erneuerte Solidarität?« über den »Austausch zwischen Studierenden, Wissenschaftlern und Gewerkschaftern« und eine Vernetzung der Interessierten diskutiert. Mit dabei war Professor Bodo Zeuner, Politologe an der Freien Universität Berlin, der seit Jahren zum Thema forscht. Zwar vereinen IG Metall und ver.di je 20000 Studenten auf sich, die Zahl wirkt aber angesichts über einer Million arbeitender Kommilitonen eher bescheiden. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist mit 6000 studentischen Mitgliedern schon weniger präsent. Selbst unter der künftigen Bildungselite des Landes ist mittlerweile bereits das Wissen über Gewerkschaften alarmierend gering. Als Berliner Gewerkschafter bei einem Uni-Besuch eine 23-jährige Studentin von den Vorteilen der Gewerkschaften überzeugen wollten, antwortete sie: »Wieso? Ich bin doch in der Barmer!« Wenig Erfahrung mit Berufsverbänden sehen auch Fachschaften und Hochschulausschüsse. Schon in der Vergangenheit wiesen Experten darauf hin, dass die Gewerkschaften den Anschluss an den Nachwuchs verloren hätten. »Ich werde sowieso in kein festes Normalarbeitsverhältnis mehr hineinkommen, sondern von einem Job zum anderen driften, also können Gewerkschaften mir als Interessenvertretung nichts bieten«, ist laut Zeuner eine häufige Einstellung. Das sieht Hildegard Maria Nickel, Professorin an der Berliner Humboldt-Universität, ähnlich. Doch kann die Arbeitssoziologin auch zunehmend politisches Interesse unter Studierenden ausmachen. An eine Trendwende will sie aber noch nicht glauben. Der DGB wurde vor zwei Jahren mit der Initiative »students at work« aktiv. Vor allem die Online-Beratung des Dachverbandes wird seitdem vielfach genutzt. Große Pläne haben die jungen ver.di-Kollegen vom Mittwochabend. Demnächst...

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