Täglich 20 Stunden in der Einzelzelle
Weil sie verwirrt und orientierungslos war, landete eine psychisch kranke Australierin im Asyllager
So stark ist in Australien die behördliche Phobie vor illegalen Einwanderern, dass es genügt, wenn eine Frau keinen Personalausweis bei sich hat, einen verwirrten Eindruck macht und dann auch noch Deutsch spricht, um in einem der berüchtigten Asyllager des Landes eingesperrt zu werden.
Die Aufdeckung der Leiden der geisteskranken Cornelia Rau in der »Hölle« des berüchtigten Asyl-Lagers Baxter in Südaustralien hat in Australien einen so starken öffentlichen Empörungssturm ausgelöst, dass Premierminister John Howard am Sonntag eine eingehende Untersuchung des Falles angekündigt hat. Die 39-jährige Frau, die aus Deutschland stammt, ist seit ihrem ersten Lebensjahr in Australien und dort ständig wohnhaft. Als »Mystery Woman Anna« sorgt sie seit kurzem für Schlagzeilen. Die Bestrebungen, ihre Identität festzustellen, reichten bis nach Deutschland. »Wir haben drei Monate lang versucht festzustellen, ob sie Deutsche ist, aber wir konnten keine Beweise dafür sichern«, erklärte der deutsche Generalkonsul in Melbourne, Thomas Kessler, der Tageszeitung »The Australian«. Das Rätsel löste sich, als die in Sydney lebende Schwester Chris Rau an die Öffentlichkeit trat und berichtete, dass Cornelia geistesgestört sei und im März 2004 aus einer psychiatrischen Klinik im Sydney-Vorort Manly verschwand, und dass sie seinerzeit bei der Polizei in Sydney als vermisst gemeldet worden war. »Wir nahmen an, dass sie tot ist«, erklärte Chris Rau. Die Leidensgeschichte begann, als Cornelia Rau, bis 2000 Flugbegleiterin bei der australischen Fluggesellschaft Qantas, von einem Stamm der Aborigines in einem psychotischen Zustand im fernen Nordqueensland gefunden und der dortigen Polizei übergeben wurde. Sie konnte sich nicht identifizieren, sprach nur Deutsch und wurde deshalb von der Polizei als vermeintliche illegale Einwanderin dem Einwanderungsamt übergeben. Nachdem sie mehrere Monate im Frauengefängnis von Brisbane eingesperrt war, wurde Cornelia Rau in das berüchtigte Asylbewerber-Lager Baxter in Südaustralien abgeschoben. Die Lagerinsassen versuchten, die Lagerverwaltung auf den schwer kranken Zustand der jungen Frau aufmerksam zu machen und auch darauf, dass sie ausgezeichnet Englisch sprach. Die Wachmannschaften nahmen aber keine Notiz davon, wie die für die Flüchtlinge handelnden Rechtsanwälte australischen Zeitungen berichteten. »Es ist unglaublich, dass die Krankheit von Miss Rau in Baxter nicht festgestellt wurde«, tadelte Professor Ian Hickey vom australischen »Mental Health Council«. Nach Berichten von Augenzeugen war die Frau täglich 18 bis 20 Stunden in einer Einzel-Zelle eingesperrt. Sie musste jedesmal mit Gewalt in die Zelle gebracht werden, heißt es weiter. Dazu seien jeweils sechs Lagerwächter nötig gewesen. In der Zelle habe sie ständig geschrien. Sie sei auch nackend im vornehmlich von Männern bewohnten Lager herumgelaufen. Oppositionspolitiker und Menschenrechtler stellen nun eindringliche Fragen, wie es möglich war, dass ein australischer Bürger als vermeintlicher illegaler Einwanderer eingesperrt wurde. Sogar der Rücktritt von Einwanderungsministerin Amanda Vanstone wird gefordert. Cornelia Rau ist am Freitag aus Baxter entlassen und in eine psychiatrische Klinik im südaustralischen Adelaide überführt worden, wo sie jetzt endlich von Ärzten wegen Schizophrenie behandelt werden soll. Das australische Recht sieht vor, dass alle Personen, die sich illegal, ohne Visum im Land aufhalten, in Lagern zu internieren sind. Es gibt sechs solcher immer wieder heftig kritisierter Camps, die von einer privaten Firma, der Australasian Correctional Management, betrieben werden. Sie liegen in unwirtlichen Wüstengebieten, wo es keine menschlichen Ansiedlungen gibt. Hier werden viele Hundert Menschen fe...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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