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  • Politik
  • Sommerfest im Literarischen Colloquium Berlin

Parade neuer Texte

  • Eva Schön
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Wannsee lockte zum Bade an diesem Sonnabend, aber die Leute, die ins Literarische Colloquium an seinem Ufer gekommen waren, hatten anderes im Sinn. Ein Sommerfest wurde gefeiert, bei dem Literatur und Literaten hautnah mit dem nach Hunderten zählenden Publikum zusammenkamen. Für Speise, Trank, Musik und Kinderspaß war gesorgt, vor allem aber für ein reichliches Angebot neuer Texte. Auf zwei Bühnen wurde fast ohne Pause gelesen.

Horst Bosetzky leitete den Nachmittag mit einer Kostprobe aus seinem jüngsten Roman »Capri und Kartoffelpuffer« ein, autobiographischer Rückblick auf die 50er Jahre. Eine Liebesgeschichte zweier Studenten in Oxford erzählt der junge Autor Michael Braun, der schon viel von der Welt gesehen hat und in verschiedensten Berufen Lebenserfahrung sam-

melte. Sein Roman-Erstling erschien soeben unter dem Titel »Jericho oder Das feine Gewicht des Himmels«. Der Niederländer Oscar van den Boogaard konnte aus seinem vierten Roman »Julias Herrlichkeit« lesen. Das ist die Geschichte einer Frau, die einen Neuaufbruch wagt und für alle Sinne die Ekstase sucht. Eine Prosa, die aufhorchen läßt.

Zurück ins Jahr 1977 führt der Roman »Erste Liebe. Deutscher Herbst«. Michael Wildenhain stellt einen Abiturienten vor, den erste Liebe und Politik in Konflikte stürzen. Dem Autor gelingt es, Zeitgeschichte nicht nur als Kulisse für persönliche Schicksale zu zeigen. Ulrich Woelk ist studierter Astrophysiker; kürzlich aber hat er sich endgültig für den Beruf des Schriftstellers entschieden. Er hatte, noch im Manuskript, die Erzählung »Die Toskana-Verschwörung« mitgebracht, einen Text, den Ungewißheiten und Mutma-ßungen konstituieren. Erfrischend humorvoll berichtete Birgit Vanderbeke von einem ersten Kuß, der nicht zustande

kam. »Alberta empfängt einen Liebhaber« heißt die Geschichte der Bachmann-Preisträgerin von 1990. Kurze Prosa unter dem Titel »Destillate« trug die Literaturwissenschaftlerin Dagmar Leupold vor. Ihr folgte der Lyriker Steffen Jacobs, dessen Debütband von einem Kritiker als beachtlich bezeichnet wurde, zumal er in jenem Jahrgang der einzige gewesen sei. Der Dichter nahm's enttäuscht, doch mit Fassung und ließ locker-leichte Gedichte aus jüngerer Zeit hören.

Am Abend dann: Peter Maiwald, die Publikumsattraktion (ND-Leser wissen um die Qualität seiner satirischen Texte). »Lebenszeichen« heißt sein neuer Band. Danach hatte es Burkhard Spinnen (ND-Leser haben ihn ebenfalls bereits in der »Sonntagsgeschichte« kennengelernt) mit seinen klug gebauten Kurzgeschichten schwer

Die veranstaltenden Verlage - S. Fischer, Argon/ Nicolai und Alexander Fest - konnten mit ihrem literarischen Sommerfest mehr als zufrieden sein. Es war ein Ausflug in die Literatur, auch ein wenig in die Geschichte. Alltagsleben von heute war kein Thema. Es sei denn, man nimmt die Titel zweier Texte von Wolfgang Hilbig, der als letzter las, wörtlich und symbolisch zugleich: »Der Durst« und »Die Flaschen im Keller«.

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