Kolographie als Alternative für eine Darmspiegelung
Rund 30000 Bundesbürger sterben jährlich an Darmkrebs. Diese Zahl ließe sich auf einen Bruchteil reduzieren, wenn mehr Menschen an den Untersuchungen zur Früherkennung teilnehmen würden. Neben der für den Patienten unangenehmen Darmspiegelung wird seit einigen Jahren die Kolographie angeboten.
Dass etwa jede zweite Darmkrebs-Erkrankung tödlich endet, ruft bei Professor Joachim Mössner von der Uniklinik Leipzig Kopfschütteln hervor. Denn bei entsprechender Vorsorge lässt sich die Erkrankung oft verhindern. Neun von zehn Tumoren entwickeln sich im Laufe von Jahren aus gutartigen Polypen, die bei Untersuchungen erkannt und entfernt werden können. Eine Chance, die viele Bundesbürger ungenutzt verstreichen lassen. Obwohl die Krankenkassen eine Darmspiegelung ab dem 56. Lebensjahr und eine weitere nach zehn Jahren bezahlen, scheuen sich viele Menschen, ihren Verdauungstrakt unter die Lupe nehmen zu lassen. Dies liegt wohl auch an der damit verbundenen Prozedur: Am Vortag einer Darmspiegelung oder Koloskopie müssen die Patienten zur Darmreinigung literweise abführende Flüssigkeit trinken. Kurz vor der Koloskopie erhalten sie dann ein Beruhigungsmittel, bevor der Arzt das mit Lampe, Kamera und Arbeitswerkzeug ausgestattete biegsame, etwa 1,5 Meter lange Koloskop in den Darm einführt. Entdeckt der Mediziner an der Darmwand Polypen, kann er sie sofort abtragen. Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte bieten seit einiger Zeit eine berührungsfreie Alternative zur Darmspiegelung an. Bei der virtuellen Koloskopie oder Kolographie werden die Patienten meist per Computertomograph (CT) scheibenweise durchleuchtet. Die einzelnen Schnittbilder setzt eine Spezialsoftware dann dreidimensional so zusammen, dass der Arzt am Monitor bequem durch den virtuellen Darm navigieren kann. Auch die Vorbereitung der Untersuchung fällt für den Patienten bequemer aus. Am Vortag kann er noch ein leichtes Mittagessen einnehmen. Danach trinkt er abführende Salzlösung und Kontrastmittel. Vor der Untersuchung wird Kohlendioxid in den Darm geleitet. Es soll die Darmfalten straffen, damit sie keine Polypen verdecken. Ob die neue Technik mit dem Standardverfahren gleichwertig ist, darüber sind die Meinungen geteilt. Ein Nachteil der Kolographie ist unbestritten: Werden dabei Polypen entdeckt, kann der Arzt sie - im Gegensatz zur Koloskopie - nicht sofort entfernen. Über die diagnostische Qualität der Kolographie sind die Meinungen ebenfalls geteilt. Mössner bemängelt, dass gerade kleine Polypen am Computer eher übersehen werden als per Koloskop. Dem widerspricht Patrik Rogalla von der Berliner Charité, in der man seit 1997 kolographiert. Der Radiologe verweist auf eine amerikanische Doppelblind-Studie, in der sich das neue Verfahren gegenüber der Koloskopie als ebenbürtig erwies. Allerdings, so räumt der Experte ein, wurden die Computerdaten dabei von sehr erfahrenen Medizinern ausgewertet. »Das Verfahren lebt von der Qualität der Technik und der Erfahrung des Arztes«, betont Rogalla. Dass die Kolographie nun immer häufiger angeboten wird, sieht Rogalla mit gemischten Gefühlen, denn bislang fehlen jegliche Qualitätsstandards. »Da sehe ich den größten Schwachpunkt des Verfahrens«, sagt der Experte. Denn ob ein Arzt tatsächlich Erfahrung in der Auswertung der Bilder hat oder lediglich eine weitere Einnahmequelle für den Computertomographen in seiner Praxis benötigt, weiß wohl kaum ein Patient. Sinnvoll ist die Kolographie laut Rogalla generell für bestimmte Patientengruppen - etwa Menschen, mit Darm-Verwachsungen oder Patienten mit erhöhter Blutungsneigung, die sich nicht der mit einer Koloskopie verbundenen Perforationsgefahr aussetzen wollen. Sollte das computergestützte Verfahren darüber hinaus die Akzeptanz der Darmkrebs-Früherkennung in der Bevölkerung verbessern, wäre schon viel gewonnen. Hier zeigt sich jedoch ein weiterer und für manche Patienten wohl entscheidender »Nachteil« der Kolographie. Während die Krankenkassen die Koloskopie als Vorsorgeuntersuchung zahlen, übernehmen sie die Kosten für eine Kolographie bis...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.