Außenminister Joschka Fischer hat erstmals persönliche Fehler in der Affäre um laxe Visa-Erteilungen in der Ukraine eingeräumt. »Ich habe in den Jahren 2000 bis 2002 nicht schnell, nicht entschlossen und nicht umfassend genug als verantwortlicher Minister gehandelt«, sagte er am Wochenende auf dem Parteitag der NRW-Grünen in Köln.
Die 280 Delegierten des Landesparteitags feierten Fischer nach seiner nur 25 Minuten langen Rede mit stehenden Ovationen und minutenlangem rhythmischem Klatschen. »Das war genau der Befreiungsschlag, den wir brauchten«, sagte Michael Vesper, NRW-Städtebauminister und stellvertretender Ministerpräsident, »die Spekulationen um Schuld und Verantwortung sind jetzt vorbei. Nordrhein-Westfalen hat Fischer mit offenen Armen aufgenommen.« Die grüne Spitzenkandidatin, Umweltministerin Bärbel Höhn, sprach von einer tollen, motivierenden Rede: »Jetzt freue ich mich darauf, mit Joschka Fischer Wahlkampf zu machen.«
»Mit dieser klaren Rückendeckung habe ich nicht gerechnet. Das rührt mich«, sagte Fischer nach seinem Kurzauftritt auf dem Landesparteitag. Höhn und Vesper hatten in ihren Reden bereits die Richtung vorgegeben: »Wir müssen den Menschen die Wahrheit sagen: Wir können uns nicht abschotten, wenn alle unsere Waren haben wollen«, sagte Höhn. Vesper warf der CDU und deren Spitzenkandidaten Jürgen Rüttgers »ideologische Aufrüstung gegen Weltoffenheit« vor. Dann kam Fischer.
Gemessenen Schrittes betritt der Außenminister die Bühne. Der Saal applaudiert sofort, die Delegierten stehen auf, Fischer ist beeindruckt: »Wer hätte gedacht, dass ich einmal fast in Rührung verfallen würde bei einer solchen Begrüßung«, sind seine ersten Worte. Zu den NRW-Grünen hatte der in Hessen beheimatete Fischer bisher ein eher distanziertes Verhältnis. Dann das erste Eingeständnis an die Delegierten: »Ich muss anerkennen, dass die Öffentlichkeit und ihr, die Partei, eine Erklärung in eigener Sache erwartet.« Kurz geht Fischer auf »die Entwicklung in Kiew« ein. Die reiche zurück »bis in die Zeit, als die Mauer fiel«. Die Einführung der Reiseschutzpässe durch die Regierung Kohl sei richtig gewesen. Es sei ja vor allem um Krankenversicherung, Kosten eines eventuellen Rücktransports und um Erleichterungen bei der Familienzusammenführung gegangen.
Dann kommt der Außenminister zu der auch seiner Meinung nach »entscheidenden Frage nach der Verantwortung«. Im Saal wird es ganz still, bevor Fischer die entscheidenden Worte spricht: »Ich habe zwei Fehler gemacht.« Zwei Erlasse hätten das missbrauchsanfällige Instrument der Reiseschutzpässe seit dem Herbst 1999 noch missbrauchsanfälliger gemacht »Das ist meine Verantwortung«, sagt der Minister. »Die schiebe ich nicht ab.« Dafür habe er vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss einzustehen. Wer was wann wusste, könne er nur dort anhand der Akten klären. Wann, ob noch vor der NRW-Wahl - dazu sagt er kein Wort. Nur jetzt »aus dem Gedächtnis« gehe es nicht. Darüber hinaus sagt Fischer zur Sache nur, dass die Sicherheitsanfragen an die Ausländerbehörden niemals eingestellt worden seien.
Für die Zukunft kündigte Fischer eine »höhere Prüfdichte« an. Dafür sei mehr Personal notwendig. Das ist aber offenbar von Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem Kabinett noch nicht bewilligt. Er werde das an anderer Stelle reklamieren, erklärte Fischer. Entschieden bestritt Fischer, dass es durch die Visa-Erlasse zu einem Anstieg der Zwangsprostitution oder der Schwarzarbeit gekommen sei. »Aber jeder Fall ist zu viel. Das ist ein übles Verbrechen«, so Fischer und wieder war ihm der Beifall des Parteitages sicher. Klar sei aber auch, dass Deutschland als Exportweltmeister eine gewisse Weltoffenheit brauche. »Wir können nicht dumpfen Stammtischparolen folgen. Wir leben von der Welt und müssen uns deswegen auch öffnen für die Welt«, so Fischer.