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»Die wollen doch sicher Geld verdienen«

Vorübergehendes Asyl für Karlshorster Voltigiernachwuchs in Hoppegarten

  • Hans-Jürgen Neßnau
  • Lesedauer: 3 Min.
»Ich denke positiv«, sagt Franka Schirbel (24). Seit vierzehn Jahren ist sie im Reitverein Karlshorst, war extra von Schöneiche nach Karlshorst gezogen. Auch, um Lester II (17) nahe zu sein, der als 12-Jähriger am Ort das beste Voltigierpferd war. Aus aktuellem Anlass haben die Kinder, Jugendlichen und jungen Frauen Nachdenkliches zu Papier gebracht: In Karlshorst gebe es ein Miteinander seit Jahren. In der wunderschönen Reit- und Voltigierhalle gebe es das Lernen und den Spaß. Heute gehe es um Geld und um Verdienen. In Hoppegarten finden die 70 jungen Voltigiersportler vom traditionsreichen Reitverein Karlshorst vorerst neue Trainingsmöglichkeiten. Die Anlage, die der Verein mehr als 30 Jahre auf der Trabrennbahn Karlshorst nutzte, wurde dieser Tage abgerissen. Die Grundstückseigentümerin TLG Projektentwicklung Karlshorst hatte beim Landgericht Berlin die Räumungsklage durchgesetzt. Auf dem Areal sollen Eigenheime entstehen. In Neuenhagen hat Pferdewirtschaftsmeister Silvio Kalmutzki dem Verein in seinem Reitstall günstige Konditionen eingeräumt. Für die Unterbringung der drei Pferde und die Nutzung der Halle müssen nur etwa 500 Euro monatlich gezahlt werden. Die An- und Abfahrtswege werden mit einem kostenlosen Fahrdienst bewältigt. Dennoch sollen Hoppegarten und Neuenhagen nur eine Zwischenlösung sein. Wenn der Pferdesportpark Karlshorst e.V. (PSP) die neue Halle im Sommer in Betrieb nimmt, will man zurückkommen. Das hofft auch Franka Schirbel. Aber: »Die wollen doch sicher Geld verdienen.« Für 200000 Euro erwarb der PSP am 30. März 2004 von der TLG Projektentwicklung Karlshorst 37 Hektar auf dem Gelände der Trabrennbahn. Das ist ein Quadratmeterpreis von 0,54 Euro. Der PSP verpflichtete sich, den Reitverein aufzunehmen. Die Zukunft des Kinder- und Jugendreitvereins sei gesichert, versprach damals Jochen Reiter, Geschäftsführer der Karlshorster TLG. Der Abriss dürfe erst erfolgen, wenn Ersatz da ist, formulierte Horst Pohle mehrfach in seinen Schreiben an das Bezirksamt Lichtenberg. Als »interessierter Bürger« hat der 75-Jährige, der von 1972 bis 1983 Direktor der Trabrennbahn Karlshorst war, sein Recht auf »frühzeitige Bürgerbeteiligung« wahrgenommen, so bei der Diskussion um den Bebauungsplan 11-14a. Seine Hinweise seien ignoriert worden, sagt er. Am 18. Februar 2004 wurde der Bebauungsplan von der Lichtenberger BVV beschlossen, ohne die Stimmen der SPD, CDU und FDP. Dass Gebäude, beste Stallungen und der Reiterhof als nicht erhaltenswert in der BVV-Vorlage eingestuft wurden, erzürnt Pohle noch heute. Da sei den Volksvertretern eine Lüge aufgetischt worden. Der von der TLG Projektentwicklung favorisierte Bebauungsplan erhielt also grünes Licht. Grün gab das Landgericht Berlin am 9. Dezember 2004 für die Räumungsklage gegen den Reitverein. Somit musste dieser zum 19. Januar Stall, Reithalle und Koppel verlassen. Als Entscheidungsgrund ist im Urteil nachzulesen: Es mag sein, dass das Bezirksamt Lichtenberg und die BVV daran interessiert waren, dass vor einer Bebauung des Geländes der Trabrennbahn Karlshorst die Frage nach dem künftigen Standort des Beklagten (Reitverein Karshorst) geklärt werden würde. Irgendwelche Schritte, die Klägerin (TLG Projektentwicklung Karlshorst) zu einer solchen vorherigen Klärung rechtlich zu verpflichten, hat das Bezirksamt Lichtenberg aber nicht unternommen. Der Pferderennsport steckt in ganz Deutschland in einer tiefen Krise, so Horst Pohle. Und Berlin hat zwei Trabrennbahnen. »Bisher habe ich gedacht, die Karlshorster Bahn hat eine Perspektive«, sagte Pohle. Nun habe er Zweifel. Der Sportpark habe eine Perspektive, wenn die Voraussetzungen für das Freizeitreiten und den Reitsport wieder geschaffen werden.
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