- Politik
- Lars Rudolph - ein junger Schauspieler macht von sich reden
James Dean der 90er
Kommt ein Patient zum Arzt. Sagt der Arzt: Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Wollen Sie die gute zuerst hören? Sie haben nur noch vierundzwanzig Stunden zu leben.' Und nun die schlechte. Ich habe vergessen, Sie gestern anzurufen.«
Wenn Bruno, gespielt von Lars Rudolph, zu Beginn des Films diesen Witz erzählt, steht er allein auf weitem Acker und schaut direkt in die Kamera. Er gibt gewissermaßen die Atmosphäre des Films »Not a Love Song« vor, der derzeit in den Kinos läuft. So absurd pessimistisch wie der Witz ist der ganze Film, und am Ende hat Bruno, der es nicht geschafft hat, wegzufahren, die Frau zu halten, die er liebt, und teilzuhaben an dem erhofften Aufschwung Ost, ebenfalls das letzte Wort. Es heißt schlicht »Schei-ße!«.
Lars Rudolph ist die ideale Besetzung für Bruno, so wie er die ideale Besetzung für Edgar in dem gleichnamigen Film von Jan Ralske war Beide Rollen brachten ihm 1997 den Preis für den Besten Nachwuchsdarsteller auf dem Max-Ophüls-Festival in Saarbrücken ein.
Er verkörpert einen Typ Schauspieler, dem die grüblerische Selbstverweigerung schon im Gesicht geschrieben steht. Seine Charaktere scheinen irgendwie unanfechtbar in sich zu ruhen, immun gegen jegliche Art von Anpassung. Bei den Filmtagen in Hof stellte er sich in »Go For Gold« in einer weiteren Hauptrolle vor: »Da kann ich ers.tmals den Pfad der Introvertiertheit verlassen, die Leute >volllabern<, denn das ist so eine Don Quichote-Geschichte, die wir in Spanien gedreht haben, in der ein an Amnesie Leidender
Foto: Hotz/Kern
davon träumt, Politiker zu werden. Das ist ein verdammt guter Film geworden.«
Das erzählte er Anfang Oktober, als wir in Rudolphs bevorzugtem Cafe »Flammende Herzen« in Berlin-Kreuzberg saßen. Der Schauspieler kam mit dem Koffer in der Hand, fertig zum Abflug nach Dresden, wo am 15. Oktober »Genetik Woyzeck« Premiere hatte, »eine Inszenierung zwischen Kino und Theater, Wirklichkeit und Fiktion in 27 Bildern« aufgeführt, in der Regie von Harriet Maria Böge und Peter Meining im Festspielhaus Hellerau.
Die Lebenskoordinaten von Lars Rudolph (31) führen von seinem Geburtsort, dem ostfriesischen Wittmund, über Oldenburg, New York nach Berlin mit gelegentlichen Abstechern nach Templin, wo er ein Stück Land und eine Wagenburg besitzt. »Ich führe ein ganz normales Leben, mit Frau und Tochter und bau da rum an den Bauwagen. Der Job ist zu chaotisch. Es wird so viel gesoffen im Beruf, so viele Parties werden gefeiert, und man ist immer lustig, lustig, lustig.
Da muß man einfach mal einen Baum ansehen oder Pferdeäppel einsammeln.«
Lars ist in vielerlei Hinsicht »aus der Art« geschlagen, jedenfalls aus der Sicht des Vaters, eines Fregattenkapitäns der Bundesmarine, dem sowohl Lars' älterer als auch der jüngere Bruder nacheiferten. »Ich habe viel mit dem Vater gekämpft, war der einzige, der nicht zur Bundeswehr gegangen ist, sondern heimlich Katastrophenschutz gemacht hat. Aber Vater war Bildersammler und Jazzfan. Von ihm hatte ich die erste Trompete, habe im Blasorchester Marschmusik gespielt, bis ich den Free Jazz entdeckte, Gitarre spielte und sang«, so seine stenografische Autobiografie. »Ich habe von der Musik gelebt. Ein Jahr lang in Amerika. Auch in London. Schon vor der Wende bin ich in der DDR mit der Gruppe Kixx aufgetreten und habe mit der Tänzerin Fine Kwiatkowski eine Tournee gemacht. Aber das ist furchtbar anstrengend«, bekennt er, »sechs Wochen auf der Straße von Klub zu Klub. Dann gab es plötzlich Angebote von Studenten der dffb (Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin), kleine Rollen zu spielen, die hatten mich auf der Bühne gesehen. Und so besuchte ich 1992 die Theaterschule in der Friedrichstraße, geleitet von Ensemblemitgliedern des Gorki-Theaters. Schlingensief von der Volksbühne rief mich an. Da habe ich >Kühnen 94< gespielt. Und so griff eins ins andere.«
In »Not a Love Song« von Jan Ralske spielt Lars Rudolph den Bruno als einen James Dean der 90er, der einfach nur weg will mit seinem alten »Tatra«, sich aber in Luise (Anna Thalbach) verliebt und ihr hilft, ein altes Bahnwärterhäuschen an einer stillgelegten Bahnstrecke zur Bar umzufunktionieren, während ihr Mann Karl (Matthias Freihof) eine Managerschulung absolviert, bei der er lernt, in Einöden Golfplätze anzulegen und aus der Pumpe Heilwasser zu zapfen. »Leute aus dem Osten sagen: Wir können uns in dem Film nicht wiederfinden. Aber in Italien hat man ihn gut verstanden. Vielleicht, weil der Regisseur, der aus Texas stammt und in Rostock studiert hat, mit einer Italienerin verheiratet ist und eine tschechische Mutter hat.«
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