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Chancengleichheit gibt es nicht

Studie über Leistungsniveau von Hamburger Schülern

  • Lesedauer: 3 Min.

Von Horst Bethge und Margret Eisele-Becker

Jüngst beschloß die Kultusministerkonferenz, die Schulen regelmäßig mit Leistungstests zu überprüfen. Die erste flächendeckende Studie in der Bundesrepublik gab es allerdings bereits 1996 in Hamburg. Eine Gruppe der Berliner Humboldt-Universität untersuchte das Leistungsniveau von Schülern der 5. Klassen. Vor kurzem wurde der Bericht über »Aspekte der Lernausgangslage von Schülern der 5. Klassen an Hamburger Schulen« (Lau) vorgelegt. Schon in der Pilotphase der Untersuchung wurde jedoch kritisiert, daß der Ansatz der Untersuchung zu kurz greift. Die untersuchten Qualifikationen seien auf formalkognitive Elemente reduziert, Handlungszusammenhänge habe man ausgeblendet, für die Zukunft wichtige Schlüsselqualifikationen nicht erfaßt und wesentliche Aspekte der Grundschulpädagogik mißachtet, kritisierte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Dennoch habe die Untersuchung bildungspolitisch relevante Ergebnisse erbracht, die über die Hansestadt hinaus von Bedeutung seien.

Deutlich dokumentiert die Studie, daß die Schulleistungen vom Elternhaus und dessen sozialen Standards abhängen. Die Grundschule konnte in ihrer bisherigen Ausstattung die sozialen Unterschiede der Wohnquartiere nicht ausgleichen. Das sozioökonomische Milieu beeinflußt die Lernleistung enorm: Je höher der Schulabschluß der Eltern, desto leistungsfähiger die Kinder Die Erwerbssituation der Väter schlägt auf die Testleistung dominant durch. Migrantenkinder zeigen im Untertest »Bildungsgestaltung« keinen Unterschied zu deutschen Kindern, wohl aber in den Untertests »Sprachverständnis« und »Leseverständnis«. Ein Ergebnis, das auf Versäumnisse in der Bildungspolitik hinweist. Zum Vergleich: In anderen europäischen Ländern schneiden Einwandererkinder bei den Sprach- und Lesetests deutlich besser ab.

Die Zensuren stimmen weitgehend mit den Testleistungen überein. Dennoch ergibt die Studie, daß Kinder aus bildungsnahen Elternhäusern bei gleichen Testergebnissen bessere Noten erhalten. Dieses Ergebnis trifft übrigens auch auf Mädchen zu. In Hamburg gibt es keine Ausleseprüfungen für das Gymnasium, wohl aber eine Grundschulempfehlung. 36,9

Prozent der Kinder erhielten sie für das Gymnasium. Aber es gibt dafür keine übereinstimmenden Kriterien. Das Kind eines Vaters ohne Schulabschluß muß ein höheres Leistungsniveau aufweisen, um eine Empfehlung für den Übertritt an ein Gymnasium zu erhalten. Bei einem. Kind eines Vaters mit Abitur genügt eine unterdurchschnittliche Testleistung. Kinder alleinerziehender Mütter werden benachteiligt, Mädchen leicht bevorzugt. Sowohl das Elternwahlverhalten wie die Zensurengebung und die Empfehlungspraxis an den Grundschulen führen zur Aufrechterhaltung sozialer Barrieren beim Übergang in die Sekundarstufe I. Das Stadtteil-Umfeld prägt den Leistungsstand mehr als die Schulart: Der Leistungsstand einer Haupt- und Realschulklasse in einem privilegierten Stadtteil war beispielsweise höher als der einer Gymnasialklasse in einem benachteiligten Wohngebiet.

Die Ergebnisse der Studie zeigten die Fragwürdigkeit des dreigegliederten Schulsystems in der Hansestadt, folgert die GEW Schüler würden nicht nach Leistung, sondern nach sozialer Herkunft auf die einzelnen Schultypen verteilt. Wer Integration wolle, müsse die Gesamtschule stärken. Die Hamburger Schulbehörde denkt allerdings anders. Unter dem Schlagwort »Standortsicherung« werden unter anderem strengere Versetzungsbestimmungen vorbereitet.

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