Lebensgrundlagen weltweit gefährdet

UNO-Studie zum Zustand der Ökosysteme ist eine deutliche Warnung

Wenn die Menschheit weiter wirtschaftet wie bisher, wird sie sich bald selbst die Lebensgrundlagen entziehen. Zuerst - so der vergangene Woche veröffentlichte UNO-Studie »Millennium Ecosystem Assessment« - dürfte Trinkwasser knapp werden. Die ärmsten Regionen der Erde bekommen das schon heute zu spüren.

Der Fischbestand der Meere ist drastisch reduziert, sauberes Trinkwasser wird für viele Menschen knapp. In der Zukunft sieht es nicht besser aus, denn heute werden nicht erneuerbare Süßwasserreserven verbraucht. Das sind nur die gravierendsten Probleme, die sich aus der globalen Veränderung von Ökosystemen ergeben. Die internationale Millennium Ökosystemstudie, die vergangene Woche veröffentlicht wurde, beschreibt den Zustand unseres Planeten wenig optimistisch. Die Studie wurde von 1360 Wissenschaftler aus 95 Ländern innerhalb der letzten vier Jahre im Auftrag der UNO erarbeitet.
Menschen sind weltweit auf die Leistungen von Ökosystemen angewiesen, ob es nun um die Versorgung mit Nahrung und Trinkwasser oder den Schutz vor Naturkatastrophen geht. Der Raubbau an der Natur hat in den letzten 50 Jahren das bislang größte Ausmaß angenommen. Bereits 60 Prozent der Ökosysteme weltweit sind geschädigt oder werden nicht nachhaltig genutzt. Seit 1945 entstand mehr landwirtschaftliche Fläche als im 18. und 19. Jahrhundert zusammen. Etwa ein Viertel der Erdoberfläche ist heute Agrarland. Wenig beachtet sind bislang die Folgen der massiven Stickstoffdüngung, die natürliche Nährstoffkreisläufe durcheinander bringt. Auch Meere und Küsten haben sich unter menschlichem Einfluss stark verändert: 35 Prozent der Mangrovenwälder sind verschwunden und 40 Prozent der Korallenriffe zerstört oder geschädigt. Beide bieten Küstenbewohnern Schutz vor Stürmen und Überschwemmungen.
Die Degradierung der Ökosysteme könnte sich in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts noch verstärken. Die Verfasser des Abschlussberichts warnen davor, dass es zu abrupten Verschlechterungen oder Zusammenbrüchen ganzer Ökosysteme kommen kann. Mögliche Folgen der Überbeanspruchung könnten der Ausbruch neuer Seuchen, die Entstehung toter Küstenstreifen und Veränderungen des regionalen Klimas sein. Am stärksten betroffen sind die schon heute ärmsten Regionen der Erde: Afrika südlich der Sahara, Teile Zentral- und Südasien und Teile Lateinamerikas. Werde die Zerstörung der Natur nicht aufgehalten, können auch die Entwicklungsziele der UN nicht eingehalten werden. Die Zahl der Unterernährten wird sich bis zum Jahr 2015 nach Einschätzung der Wissenschaftler nicht halbieren lassen.
»Die Zukunft liegt in unseren Händen«, heißt es im Abschlussbericht. Trotz der ernsten Lage sehen die Wissenschaftler Möglichkeiten, bisherige Schäden zu reparieren und die Leistungsfähigkeit der natürlichen Umwelt zu bewahren. Fortan müssten die Menschen allerdings allen Funktionen der Ökosysteme einen Wert beimessen, von der sauberen Luft bis zur Erholung beim Waldspaziergang. Bisher werden nur die Leistungen der Natur geschätzt, die sich monetär bewerten lassen. In einem Wirtschaftswald zählen zum Beispiel nur die Gewinne durch den Verkauf von Holz. Der Gewinn in Naturwäldern ist nach Ansicht der Experten aber weitaus höher, denn dieser ist Lebensraum von Tieren, sichert die Süßwasserversorgung und bindet Kohlendioxid. Die Experten machen in ihrer Abschlusserklärung deutlich, dass die Ressourcen nur dann erhalten werden können, wenn sich der Umgang mit der Natur drastisch verändert. Die Kooperation von Regierungen, Industrie und Zivilgesellschaft sei dazu zwingend notwendig. Lokalen Gruppen sollte dabei mehr Verantwortung für ihre unmittelbare Umwelt übertragen werden.
Der soeben erschienene Bericht ist der erste in einer Reihe von insgesamt elf Bänden, die sich mit dem Zustand der weltweiten Ökosysteme befassen. Die Ergebnisse des ersten Teils sollen in vier internationale Umweltverträge einfließen. Ziel der Reihe ist es, Forschungsergebnisse für politische Entscheidungsträger und Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Der Bericht im Internet (engl.): htt...

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