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Die Plünderer der ganzen Welt
Der neue militärische Humanismus - von Noam Chomsky unter die Lupe genommen
Wie kommt es, dass die BürgerInnen der Industriegesellschaften... die Herrschaftsmechanismen so wenig durchschauen und der Politik der Eliten folgen, als seien deren Exponenten Führer von Gottes Gnaden?« Noam Chomsky erklärt dieses Phänomen mit einer »Haltung vorsätzlicher Unkenntnis«, die George Orwell schon in »Farm der Tiere« (1945) beschrieben hat. Auch in »freien Gesellschaften« werden, so der amerikanische Kritiker in Anlehnung an Orwell, »unpopuläre Ideen zum Schweigen gebracht und unbequeme Tatsachen unter den Teppich gekehrt,... ohne dass dafür ein offizielles Verbot notwendig wäre«. Wer dennoch »die vorherrschende Orthodoxie herausfordert«, findet sich »mit überraschender Wirksamkeit zum Schweigen gebracht«. (S. 13) Selten liest man solch scharfe, pointierte Kritik hinsichtlich des Verschweigens der Wahrheit und der Manipulierung des Denkens durch die offizielle Politik und die ihr hörigen Medien.
Die im hier anzuzeigenden Buch in sieben Kapiteln gezogenen Lehren aus dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien anno 1999 finden ihre Parallele im gegenwärtigen Bombardement Afghanistans. Da wird »im Namen von Prinzipien und Werten« bombardiert, da werden »humanitäre Absichten« deklariert, da ist das Verleugnungssyndrom zu registrieren, da diktieren die Regeln der neuen Weltordnung.
Die Prinzipien und Werte der »selbst ernannten Bannerträger der Aufklärung«, die »rein zufällig zugleich die Reichen und Mächtigen, die Erben der kolonialen und neokolonialen Systeme der globalen Herrschaft« sind, erweisen sich als »stark ideologisch aufgeladen«, schreibt Chomsky (S.22) Den bei der NATO-Intervention in Kosovo von Clinton, Blair, Schröder, Scharping, Fischer u.a. verkündeten »Neuen Humanismus« gegen »Schurkenstaaten« charakterisiert er mit den Worten von Tacitus, die dieser angesichts der Politik des alten Rom formuliert hatte: »Plünderer der ganzen Welt, schufen sie eine Wüste und nannten es Frieden.« (S. 28) Die »Unterscheidung zwischen wertvollen und wertlosen Opfern« (S. 33) sei schwerlich mit altem oder neuem Humanismus und schon gar nicht mit den Menschenrechten in Übereinstimmung zu bringen, die von NATO-Politikern ständig im Mund geführt werden. Bei der gegen Jugoslawien angewendeten Uran-Munition interessierten die Regierenden der bombardierenden NATO-Staaten nur die Folgen für die eigenen Soldaten, nicht für die Menschen in den bombardierten Städten.
Im zweiten Kapitel analysiert Chomsky, wie die Völker Jugoslawiens vor dem Krieg miteinander gelebt haben. Er weist nach, wie von außen Schritt für Schritt die 1991 gegründete UCK aufgepäppelt wurde und als Ziel ausgab, Kosovo »von der serbischen Herrschaft zu befreien«. (S.47) Ihre Guerilla-Verbände umfassten 1995 bereits etwa 40000 Mann, vom Ausland ausgebildet, bewaffnet und finanziert. Wie sich die Ereignisse gleichen!
Das dritte Kapitel entlarvt »die Behauptung, dass die in rein humanitärer Absicht unternommenen Bombardements der NATO eine neue Ära einläuten und den Weg in ein neues Zeitalter des Humanismus und der Gerechtigkeit bahnen werden«. (S. 59) Der Autor nennt nicht nur die Hintergründe für das »Racak-Massaker« (S.62), sondern auch die des Krieges in Ost-Timor, der Krisen in Kolumbien, der Türkei, in Laos, Somalia und Haiti.
Es folgt eine theoretische Untersuchung von Begriff und Inhalt der »humanitären Intervention« (S.108 ff). Jenseits aller offiziellen Rhetorik wäre, so Chomsky, zu fragen, ob im »Rahmen des internationalen Rechts und der internationalen Ordnung« überhaupt ein »Recht auf humanitäre Intervention existiert«. (S.108/109) Nachdem im Kellogg-Briand-Pakt 1928 Krieg geächtet worden ist, begründeten Japan, Mussolini und Hitler ihre Raubzüge mit humanitären Phrasen. Diese »obszönen Rechtfertigungen« (S.111) vergleicht Chomsky mit der doppelzüngigen Reaktion der USA auf Vietnams Intervention in Kambodscha gegen das Pol-Pot-Regime 1978, das Eingreifen Indiens in Ostpakistan zur Beendigung der Massaker 1991 (S.112) und mit der USA-Politik zur Eroberung z.B. der Philippinen (S.114). Bisher konnten die »Propheten des Neuen Humanismus« nicht »das minimalste Argument zur Unterstützung ihrer Behauptungen vorlegen« (S.119), stattdessen, so beginnt Kapitel 4, besteht ihre »simpelste Methode... darin, die Tatsachen einfach abzustreiten«. (S.120) Das »Verleugnungssyndrom« wird ausführlich nachgewiesen, so dass in der Konsequenz die »diplomatische Bilanz« (Kapitel 5, S.152 ff) vor und nach dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien erschreckend ist.
Im sechsten Kapital fragt Chomsky schließlich, warum Gewalt zum vorherrschenden Mittel der Politik gegenüber Jugoslawien geworden ist. »Serbien ist, was immer man von ihm denken mag, ein letzter Vorposten der Unabhängigkeit in Europa...« (S.193), und dieser »Virus der Unabhängigkeit« könnte andere anstecken (S.197). Der Bombenkrieg gegen Jugoslawien entwickelte sich zu einem Testfall für die NATO. Chomsky zitiert u.a. den US-Kommentator William Pfaff: »Ohne einen Sieg über Serbien wird es überhaupt keine NATO mehr geben.« (S.196) Und er bringt weitere Beispiele aus anderen Regionen, die belegen: Für die USA und damit auch für die NATO ist militärische Gewalt Mittel von Politik, um alle zu unterdrücken, die Unabhängigkeit von den USA anstreben. Insofern war der Krieg gegen Jugoslawien wahrlich ein Testfall, um mit der neuen NATO-Doktrin eine neue Runde der Aufrüstung einzuleiten. Wo blieben die weltweiten Proteste dagegen?
Es könne »kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass die NATO-Bombardements die noch verbleibenden Reste der fragilen Struktur des internationalen Rechts weiter untergraben«, konstatiert Chomsky im siebenten Kapitel (S. 217) seines vor den terroristischen Anschlägen vom 11. September gegen Machtsymbole der USA in New York und Washington sowie den darauf folgenden militärischen Vergeltungsschlägen der USA gegen Afghanistan erschienenen Buches. Es ist in seiner Analyse und Schlussfolgerung bedrückend zeitnah. Chomskys aufklärendes faktenreiches Buch verdient weite Verbreitung. Es bietet eine wohlbegründete Anklage der Kriegs- und Gewaltpolitik der USA und ihrer NATO-Verbündeten, die dazu dient, die ganze Welt unter ihre Kuratel zu stellen. Und wer heute gegen solche Intentionen aufmuckt, gerät schnell in die Ecke der Verdächtigung, Sympathisant von Terroristen zu sein. Verrückte Welt.
Noam Chomsky: Der neue militärische Humanismus. Lektionen aus dem Kosovo. Aus d. Amerik. v. Michael Sch...
Die im hier anzuzeigenden Buch in sieben Kapiteln gezogenen Lehren aus dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien anno 1999 finden ihre Parallele im gegenwärtigen Bombardement Afghanistans. Da wird »im Namen von Prinzipien und Werten« bombardiert, da werden »humanitäre Absichten« deklariert, da ist das Verleugnungssyndrom zu registrieren, da diktieren die Regeln der neuen Weltordnung.
Die Prinzipien und Werte der »selbst ernannten Bannerträger der Aufklärung«, die »rein zufällig zugleich die Reichen und Mächtigen, die Erben der kolonialen und neokolonialen Systeme der globalen Herrschaft« sind, erweisen sich als »stark ideologisch aufgeladen«, schreibt Chomsky (S.22) Den bei der NATO-Intervention in Kosovo von Clinton, Blair, Schröder, Scharping, Fischer u.a. verkündeten »Neuen Humanismus« gegen »Schurkenstaaten« charakterisiert er mit den Worten von Tacitus, die dieser angesichts der Politik des alten Rom formuliert hatte: »Plünderer der ganzen Welt, schufen sie eine Wüste und nannten es Frieden.« (S. 28) Die »Unterscheidung zwischen wertvollen und wertlosen Opfern« (S. 33) sei schwerlich mit altem oder neuem Humanismus und schon gar nicht mit den Menschenrechten in Übereinstimmung zu bringen, die von NATO-Politikern ständig im Mund geführt werden. Bei der gegen Jugoslawien angewendeten Uran-Munition interessierten die Regierenden der bombardierenden NATO-Staaten nur die Folgen für die eigenen Soldaten, nicht für die Menschen in den bombardierten Städten.
Im zweiten Kapitel analysiert Chomsky, wie die Völker Jugoslawiens vor dem Krieg miteinander gelebt haben. Er weist nach, wie von außen Schritt für Schritt die 1991 gegründete UCK aufgepäppelt wurde und als Ziel ausgab, Kosovo »von der serbischen Herrschaft zu befreien«. (S.47) Ihre Guerilla-Verbände umfassten 1995 bereits etwa 40000 Mann, vom Ausland ausgebildet, bewaffnet und finanziert. Wie sich die Ereignisse gleichen!
Das dritte Kapitel entlarvt »die Behauptung, dass die in rein humanitärer Absicht unternommenen Bombardements der NATO eine neue Ära einläuten und den Weg in ein neues Zeitalter des Humanismus und der Gerechtigkeit bahnen werden«. (S. 59) Der Autor nennt nicht nur die Hintergründe für das »Racak-Massaker« (S.62), sondern auch die des Krieges in Ost-Timor, der Krisen in Kolumbien, der Türkei, in Laos, Somalia und Haiti.
Es folgt eine theoretische Untersuchung von Begriff und Inhalt der »humanitären Intervention« (S.108 ff). Jenseits aller offiziellen Rhetorik wäre, so Chomsky, zu fragen, ob im »Rahmen des internationalen Rechts und der internationalen Ordnung« überhaupt ein »Recht auf humanitäre Intervention existiert«. (S.108/109) Nachdem im Kellogg-Briand-Pakt 1928 Krieg geächtet worden ist, begründeten Japan, Mussolini und Hitler ihre Raubzüge mit humanitären Phrasen. Diese »obszönen Rechtfertigungen« (S.111) vergleicht Chomsky mit der doppelzüngigen Reaktion der USA auf Vietnams Intervention in Kambodscha gegen das Pol-Pot-Regime 1978, das Eingreifen Indiens in Ostpakistan zur Beendigung der Massaker 1991 (S.112) und mit der USA-Politik zur Eroberung z.B. der Philippinen (S.114). Bisher konnten die »Propheten des Neuen Humanismus« nicht »das minimalste Argument zur Unterstützung ihrer Behauptungen vorlegen« (S.119), stattdessen, so beginnt Kapitel 4, besteht ihre »simpelste Methode... darin, die Tatsachen einfach abzustreiten«. (S.120) Das »Verleugnungssyndrom« wird ausführlich nachgewiesen, so dass in der Konsequenz die »diplomatische Bilanz« (Kapitel 5, S.152 ff) vor und nach dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien erschreckend ist.
Im sechsten Kapital fragt Chomsky schließlich, warum Gewalt zum vorherrschenden Mittel der Politik gegenüber Jugoslawien geworden ist. »Serbien ist, was immer man von ihm denken mag, ein letzter Vorposten der Unabhängigkeit in Europa...« (S.193), und dieser »Virus der Unabhängigkeit« könnte andere anstecken (S.197). Der Bombenkrieg gegen Jugoslawien entwickelte sich zu einem Testfall für die NATO. Chomsky zitiert u.a. den US-Kommentator William Pfaff: »Ohne einen Sieg über Serbien wird es überhaupt keine NATO mehr geben.« (S.196) Und er bringt weitere Beispiele aus anderen Regionen, die belegen: Für die USA und damit auch für die NATO ist militärische Gewalt Mittel von Politik, um alle zu unterdrücken, die Unabhängigkeit von den USA anstreben. Insofern war der Krieg gegen Jugoslawien wahrlich ein Testfall, um mit der neuen NATO-Doktrin eine neue Runde der Aufrüstung einzuleiten. Wo blieben die weltweiten Proteste dagegen?
Es könne »kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass die NATO-Bombardements die noch verbleibenden Reste der fragilen Struktur des internationalen Rechts weiter untergraben«, konstatiert Chomsky im siebenten Kapitel (S. 217) seines vor den terroristischen Anschlägen vom 11. September gegen Machtsymbole der USA in New York und Washington sowie den darauf folgenden militärischen Vergeltungsschlägen der USA gegen Afghanistan erschienenen Buches. Es ist in seiner Analyse und Schlussfolgerung bedrückend zeitnah. Chomskys aufklärendes faktenreiches Buch verdient weite Verbreitung. Es bietet eine wohlbegründete Anklage der Kriegs- und Gewaltpolitik der USA und ihrer NATO-Verbündeten, die dazu dient, die ganze Welt unter ihre Kuratel zu stellen. Und wer heute gegen solche Intentionen aufmuckt, gerät schnell in die Ecke der Verdächtigung, Sympathisant von Terroristen zu sein. Verrückte Welt.
Noam Chomsky: Der neue militärische Humanismus. Lektionen aus dem Kosovo. Aus d. Amerik. v. Michael Sch...
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