Mundgeruch kann Krankheit signalisieren

  • Wolfgang Kappler
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.

Zwischen 25 und 50 Prozent der Bundesbürger leiden zu unterschiedlichen Tageszeiten an Mundgeruch, zwischen 7 und 10 Prozent sogar dauerhaft. Oft merken es die Betroffenen selbst nicht einmal, andere schämen sich und tabuisieren das Thema.

Der Verdauungstrakt spielt bei der Entstehung von Mundgeruch eine untergeordnete Rolle. Denn in 90 Prozent aller Fälle entsteht der Geruch tatsächlich im Mund. Doch hartnäckig hält sich die Ansicht, dass hauptsächlich Erkrankungen des Magens Ursache für Mundgeruch seien. »Dies erklärt auch, warum ein großer Anteil der Patienten, die unsere Mundgeruchssprechstunde aufsuchen, bereits eine oder mehrere Magenspiegelungen über sich haben ergehen lassen«, sagt Dr. Rainer Seemann vom Zentrum für Zahnmedizin der Berliner Charité. Solche Spezialsprechstunden gibt es inzwischen an immer mehr zahnmedizinischen Universitätskliniken und auch niedergelassene Zahnärzte verstehen sich zum Teil als Mundgeruch-Praxis. Sie verzeichnen eine zunehmende Zahl von Patienten. Ursache für Mundgeruch sind Bakterien, die organische Substanzen aus Speichel, Nahrungsresten, abgestorbenen Zellen oder Blut zu flüchtigen chemischen Verbindungen abbauen: Schwefelwasserstoff (Geruch von faulen Eiern), Dimethylsulfid oder Propionsäure (Geruch von Erbrochenem), Buttersäure (Geruch nach ranziger Butter oder Schweiß). Da die Fäulnisbakterien in der Mundhöhle viele Verstecke vorfinden, wird der Zahnarzt alte Füllungen, Zahnzwischenräume, Kronen, Zahnfleisch und vor allem die Zunge kritisch begutachten und Fremdkörper entfernen oder Schlupflöcher versiegeln. Findet er nichts, wird er den Patienten an einen HNO-Arzt verweisen. Denn: »Fremdkörper, vor allem in der Nase oder in den Nasennebenhöhlen sind gar keine so seltene Ursache für Mundgeruch, weil sie auch Bakterienschlupfwinkel sind. Man entfernt sie wenn möglich direkt mit dem Endoskop oder auf operativem Wege«, sagt Dr. Benno Raddatz aus Durmersheim. Häufig finden Ärzte eine Störung im Gleichgewicht der biologischen Mikroflora von Mund, Nase, Rachen und Verdauungstrakt, insbesondere nach Behandlungen mit Antibiotika oder Cortison, Verletzungen und Operationen. Mundgeruch kann dann nur durch die Wiederherstellung eines für Bakterien und Pilze gleichermaßen freundlichen und harmonischen Klimas beseitigt werden. Mundgerüche können aber auch Hinweise auf andere Erkrankungen liefern. Leberschäden lösen zum Beispiel einen mäuseartigen Geruch aus und Diabetiker riechen häufig nach Aceton. Wenn die Nieren nicht mehr richtig arbeiten, bleiben Stoffe, die eigentlich in den Harn gelangen sollten, im Blut und letztlich über die Lungen in die Atemluft. Dann riecht es nach Urin. Bei einem übersäuerten Magen ist manchmal der Geruch von saurer Milch wahrnehmbar. Die Geruchsquellen-Suche erfolgt bei Experten durch Blickdiagnose, elektronische Spürnasen (Halimeter), Fragebögen und mikrobiologische Untersuchungen. Die Behandlung richtet sich nach der Ursache, deren Aufspüren oft die Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachärzte erfordert. Wer sich ausschließlich auf die vertuschende Wirkung von Kaugummi und Mundspray verlässt, riskiert möglicherweise ernsthaft krank zu sein. Darin liegt auch die Gefahr einer Erfindung des Siemens-Konzerns: Die nächste Handy-Generation soll mit einem Mini-Senso...

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