Nirgendwo »braune Nischen«
Bundestagsausschuß hörte Hauptmann aus der Kaserne in Varel Bundeswehr
Von Wolfgang Rex, Bonn
Das Ziel heißt Disziplin, ein Mittel heißt Demütigung. Ungewollt beschäftigte sich der Untersuchungsausschuß des Bundestages über Rechtsextremismus in der Bundeswehr mit den Niederungen des Soldatenlebens.
Als Zeuge sagte am Mittwoch in Bonn Hauptmann Mark-Heiner Wiese aus. Wiese ist Kompaniechef beim in Varel (nahe Oldenburg) stationierten 5. Fallschirmjägerbataillon. Das Bataillon gehört zu den neu eingerichteten Krisenreaktionskräften der Bundesrepublik. Laut Bundeswehrführung dienen sie dazu, auch den Zugang zu Rohstoffmärkten zu sichern. Die Hälfte seiner Truppe sei in Bosnien eingesetzt, sagt der Hauptmann nicht ohne Stolz. Die Kompanie aus der Friesland-Kaserne geriet vor Weihnachten 1997 in die Schlagzeilen. Feiern mit Nazi-Parolen fanden in der Kaserne statt, während der Ausbildung fielen rassistische Schimpfworte. Eine
Untersuchungsgruppe mit einem General kam in die Kaserne. Sie stellte fest, die Kompanie des Hauptmanns Wiese ist »keine rechtsextremistische Truppe«.
Gegen mehrere Unteroffiziere werden aber Verfahren eingeleitet. Ein Unteroffizier hat Rekruten mit »Blödmann« und Ausdrücken aus dem Fäkalienbereich bezeichnet. Ein Stabsunteroffizier erzählte seinen Soldaten im privaten Kreis »obszöne Geschichten«. Einem anderen Stabsunteroffizier wird vorgeworfen, er habe Rekruten Stöcke tragen lassen. Der Grund: Waffen im Wald vergessen. Was ist ein Soldat ohne Waffe?
Nach den nächtlichen Feiern sollen Rekruten geweckt worden sein, damit sie die Toiletten oder Gänge von Erbrochenem und schlimmerem Mist säubern. Da gilt zwar auch beim Hauptmann Wiese das Verursacherprinzip. Aber nur, sofern der Verursacher gefunden wird. Wer sich beschwerte, dem sei zusätzlicher Wachdienst aufgedrückt worden, sagten Soldaten aus.
Vor solchem Hintergrund gedieh dann das, was Hauptmann Wiese nach seinem Minister Volker Rühe »Spiegelbild der Ge-
sellschaft« nennt. In der zivilen Gesellschaft der Republik gibt es Nazis, also auch in der Bundeswehr. Auf Nachfragen vom CDU-Abgeordneten Paul Breuer sagt Wiese, daß in seiner Kompanie weder eine »rechtsradikale Subkultur« noch »braune Nischen« existieren. Der Hauptmann weiß sogar ein Beispiel zu seiner Entlastung. Während der Enthüllungsphase war auch über ein »Deutsch sein«-Plakat geschrieben worden. Die Kompanie hätte in einem Geschäft in Varel Tassen bestellt und dafür von dem Inhaber ein Blatt geschenkt bekommen. Darauf steht. »Deutsch sein, heißt treu sein und echt.« Nach der Erinnerung von Wiese stammt der Spruch aus dem Jahr 1831. Der Inhaber des Geschäfts sei ein eingeschriebener Sozialdemokrat. Spricht das für rechtes Gedankengut?
Ein wenig stockt Wiese, als er nach dem Schießen auf Scheiben befragt wird, auf die menschliche Umrisse gemalt sind. Man müsse daran denken, daß der Auftrag eben laute, auf Menschen zu schie-ßen, sagt Wiese. Selbst wenn das schwerfalle. Es geht auch um den Zugang zu Rohstoffen.
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