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  • Politik
  • Tele-Tagebuch: »Mode« (MDR) und »Tatort« (ARD)

Finales Ankuscheln

  • Peter Hoff
  • Lesedauer: 4 Min.

Hut ab vor Klaus Ehrlich! Seit Jahrzehnten schon ist er seinem Metier treu geblieben: Er informiert im Fernsehen in schönen, unterhaltsam gemachten Filmen über Modetrends. Das war zumindest in der DDR nicht ganz leicht, wo von einer Zentrale aus der modische Prikas für die gesamte Republik ausging und wo der Traum, auch in der Bekleidungsbranche Weltniveau zu erreichen, sich nur in frühen DEFA-Filmen (»Modell Bianca«) oder in der Operette (»Messeschlager Gisela«, in Berlin eben wiederentdeckt) erfüllte. Ehrlich aber wurde nicht müde, mit Phantasie und Laienmanequins auch noch die steifleinenste JUMO-Kreation dem Fernsehpublikum vorzuführen, als habe Altmeister Dior in persona die Entwürfe zu verantworten gehabt. Der MDR, der Ostalgie in seinem Programm verpflichtet, ließ Klaus Ehrlich an seinem »Langen Samstag« das eigene Werk und die aktuellen Trends internationaler Mode präsentieren.

Wenn Ehrlich auch hinter der Kamera wesentlich sicherer ist als vor dem Objektiv (immer wieder schaute er in die falsche Kamera), so entledigte er sich seiner Aufgabe doch mit Anstand und Eleganz. In der Rückschau wurde noch einmal deutlich, wie schwer es war, in der DDR Mode angemessen zu präsentieren. An Interesse hat es damals bei den Zuschauerinnen sicher nicht gefehlt, ja, es

gab sogar ein breites Fachpublikum, denn jede einigermaßen fingerfertige Werktätige war ihre eigene Hausschneiderin bzw. nähte in sozialistischer Nachbarschaftshilfe auch noch für die Kollegin von nebenan mit. Freilich eher nach heimlich besorgten Schnittmusterbögen von Burda. Da war es nicht leicht, mit heimischen Kreationen zu konkurrieren. Und Ehrlich und die Seinen gaben sich doch redlich Mühe, den volkseigenen Modeideen einen angemessenen Hintergrund zu geben, beispielsweise die Erholungssuchenden an einem FKK-Strand. Heute sind die Hintergründe exklusiver geworden, kaum eine Frau näht noch selbst, angesichts der »Schnäppchen« im Kaufhaus an der Ecke. Dafür ist auch die Freude am schönen Gewände oft nicht mehr dieselbe. Der »Lange Samstag« aus Sachsen jedenfalls läßt selbst den ausgemachten Modemuffel übers Outfit ins Philosophieren geraten.

Der SFB-»Tatort« gönnte uns am Sonntagabend einen »Blick in den Abgrund« (Buch: Andreas Pflüger; Regie: Jürgen Brauer), womit jener der menschlichen Seele gemeint war. Denn ein Serienmörder ist in Berlin am Werk, der es darauf abgesehen hat, Kommissar Roiter (Winfried Glatzeder) zu ärgern. So eng sind heute die seelischen Bindungen zwischen Killer und Gendarm! Und war es jüngst in einem anderen Fall eine junge Pathologin, die Roiters Kollegen Zorowski (Robinson Reichel) über den Dienstweg lief, so bekommt diesmal Roiter selbst eine Polizeipsychologin an die Seite gestellt,

Dr. Bubek (Claudia Messner), jung (!), sehr hübsch (!!) und rothaarig (!!!). Und alles kommt, wie es kommen muß; zuerst können sie sich nicht ausstehen, dann schlägt der Haß in Zuneigung um, und aus Zuneigung wird Liebe.

Aber unser Killer mit der unglücklichen Kindheit hat auch ein Auge auf die promovierte Schönheit geworfen, und, wer weiß, vielleicht wäre sie Opfer seines schändlichen Tuns geworden, hätte sie nicht just in jener Nacht Amors Pfeil statt des Mörders Messer getroffen. Geschlechtsverkehr rettet so Beamtenleben, und es muß nur der nette junge Kollege Beckmann dran glauben, bevor der seinem Trieb ausgelieferte junge Mann (Frank Giering) von Roiter in letzter Sekunde zur Strecke gebracht werden kann.

Die Polizeipsychologin ist eine Modefigur im Serienkrimi geworden, sie eignet sich so gut als weiche Kontrastgestalt zum harten Kommissar Sie wird so hübsch vom Gefühl geleitet, wenn der Ermittlermacho zu sehr der Vernunft vertraut. Und der Triebtäter ist ebenso im Trend. Da kann von unheimlich gebildeten Autoren so richtig schön nach Briefkastentantenart psychologisiert werden. Psychologie ist allemal gefälliger als Soziologie bei der Bestimmung von Tatmotiven. Und eine Psychologin kann eben auch schon mal fast Opfer werden, hat sie doch immer noch die breite Kommissarsbrust zum finalen Ankuscheln. - Brauer und Pflüger vertrauten bewährten Krimiklischees, mit modischen Horrormomenten ergänzt; das hat den Vorteil, daß der genreerfahrene Zuschauer dem Täter schon bald auf der Spur ist, sich was Nettes für den Abend vornehmen kann und sich am Ende nur noch die Bestätigung seines Verdachtes abzuholen braucht. Der Rest ist nämlich Gähnen.

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