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LUDWIG WITTGENSTEIN.

  • Lesedauer: 3 Min.

ND-Foto: Burkhard Lange

Gewonnen haben:

Manfred Pioch, Roßlau Ruth Jacobi, Ilmenau Fritz Busse, Berlin

Schon als Kind gehörte ihre große Ließe der Natur. Stundenlang konnte sie zusehen, wie ein Ölfleck auf einer Wasserpfütze Regenbogenfarben hervorzaubert. Von der Natur führte ihr Interesse zu den Naturwissenschaften, die sie, zum Entsetzen ihres Vaters, zum Beruf machen wollte. Doch nach fünf Jahren Volksschule und drei Jahren Bürgerschule waren ihre offiziellen Bildungsmöglichkeiten erschöpft. Als Mädchen durfte sie kein Gymnasium besuchen und absolvierte zunächst eine Ausbildung als Französisch-Lehrerin. Ihren großen Wunsch jedoch, an einer Universität Naturwissenschaften zu studieren, gab sie niemals auf. Privat bereitete sie sich auf das Abitur vor und leg-

te im Alter von 23 Jahren an einem Jungen-Gymnasium die Reifeprüfung ab. Anschließend studierte sie an der Wiener Universität Mathematik und Physik, was in Österreich erst seit 1899 möglich war - 30 Jahre später als zum Beispiel in Rußland oder den USA.

Zur Jahreswende

1905/06 machte sie ihr Doktorexamen. Ihre Arbeit über »Wärmeleitung in inhomogenen Körpern« wurde »einstimmig mit Auszeichnung« bewertet. Sie war damit die zweite Frau, die in Wien im Hauptfach Physik promoviert hatte und der vierte weibliche Doktor an dieser Universität überhaupt. Ohne Bezahlung arbeitete sie am Institut für Physik, wo man sie in die Geheimnisse der

unlängst entdeckten Radioaktivität einweihte. Ihr Lehrer in Wien war der berühmte Physiker und Atomist Ludwig Boltzmann, der 1906 Selbstmord beging. Daraufhin faßte sie den Entschluß, in Berlin bei Max Planck weiterzustudieren. Aber in Preußen waren Frauen noch immer nicht zum Universitätsstudium zugelassen. Erst 1909 durften sie sich dort immatrikulieren. Eine akademische Karriere war damit freilich nicht verbunden, vor allem nicht in den Naturwissenschaften.

»Amazonen sind auf geistigem Gebiet naturwidrig«, meinte Planck. »Bei einzelnen praktischen Aufgaben, z. B. in der Frauenheilkunde, mögen vielleicht die Verhältnisse anders liegen; im allgemeinen aber kann man nicht stark genug betonen, daß die Natur selbst der Frau ihren Beruf als Mutter und als

Hausfrau vorgeschrieben hat, und daß Naturgesetze unter keinen Umständen ohne schwere Schädigungen, welche sich im vorliegenden Falle besonders an dem nachwachsenden Geschlecht zeigen dürfen, ignoriert werden können.« Doch diesmal machte der berühmte Physiker eine Ausnahme und akzeptierte die »begabte Amazone« als Hörerin in seinen Vorlesungen. Um darüber hinaus experimentell arbeiten zu können, bewarb sie sich bei einem frisch habilitierten Chemiker, der gerade eine Physikerin suchte. Erneut gab es Probleme: Professor Emil Fischer, der Leiter des chemischen Instituts und erklärter Gegner des Frauenstudiums, ließ sie nur unter der Bedingung mitarbeiten, daß sie ihren Laborplatz im Keller des Instituts aufschlug und die übrigen Räume des Insti-

tuts niemals betrat. Nicht einmal die Toilette des Instituts durfte sie benutzen und mußte, wenn nötig, in eine nahegelegene Gaststätte gehen.

Allein ihre wissenschaftlichen Erfolge waren über jeden Zweifel erhaben: 1912 bekam sie die ersehnte Assistentenstelle bei Planck und wurde Preußens erste Universitätsassistentin. Nachdem sie sich 1922 habilitiert hatte, erhielt sie vier Jahre später - im Alter von 48 Jahren - eine außerordentliche, nichtbeamtete Professur für Physik. Sogar für den Nobelpreis wurde sie dreimal vorgeschlagen: 1924, 1926 und 1936. Daß sie die hohe Auszeichnung am Ende trotzdem nicht erhielt, gilt heute als eine der größten Fehlentscheidungen des Stockholmer Nobel-Komitees.

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