Schöneberg, Linden, Verbrecher...

»Wie einst im Mai« von Walter und Willi Kollo - Jubel im Schlossparktheater

  • Hanno Harnisch
  • Lesedauer: 2 Min.
»Das war in Schöneberg, im Monat Mai«, »Untern Linden, untern Linden« und »Die Männer sind alle Verbrecher«. Diese Operettenlieder sind längst Volksgut. Leierkastenfirmen haben sie auf Tonwalzen gestanzt, Berlin-Programme kommen nicht an ihnen vorbei. Selbst die »Berliner Abendschau« vom SFB hatte sich auf eine dieser Kollo-Melodien zu Zeiten der Berliner Teilung einen neuen Reim gemacht: »Und wenn dann untern Linden/die Fahnen, die dort wehn/vom Wind verweht verschwinden/wirds allen besser gehn«. Worum kann es denn sonst gehen - nicht nur in der Operette -, wenn nicht ums Gutgehen, ums Zueinanderfinden und um die Orte und Umstände. Berlin in den zwanziger Jahren. Der Schlosser Fritz (Idealbesetzung: Matthias Freihof) liebt das Adelsmädel Ottilie (strahlend: Vasiliki Roussi). Doch es ist wie mit den Königskindern: Sie können zueinander nicht kommen. Fritz wandert nach Amerika aus und kommt zu Geld. Ottilie kommt zu Kindern mit einem ungeliebten Manne. Aber auch als Fritze nach gut zwanzig Jahren zurückkehrt und sie immer noch liebt, wagt Ottilie keinen neuen Anfang mit ihm. Operette eben - die Geschichte ist so vertrackt wie simpel. Wichtig also, wie man sie heute darbietet. Und da ist dem Künstlerkollektiv um Regisseur Andreas Gergen, der schon mit »Pinkelstadt - Das Musical« und »Eine Woche voller Samstage« dem Schlossparktheater neuen Glanz verlieh, ein großer Wurf gelungen. Mit dem Kunstgriff einer Filminszenierung des alten Stoffes »dreht« er die Geschichte bis in die 1950er Jahre. Er kann so den notwendigen Abstand zum Original der Kollos schaffen und seine zehn Protagonisten in verschiedenen Rollen und Zeiten zu Höchstleistungen treiben. Ein Kabinettstückchen, wie er diese Kammeroperette durchzieht: witzig, temporeich, augenzwinkend. Unverständlich düster einzig die Einfassung der ansonsten sehr fantasiereichen Bühne (Christoph Weyers), die sich mit wenigen Drehs vom Potsdamer Bahnhof über den Adelssalon und Krolls Tanzpalast in ein Filmstudio wandelt. Mittenmang: Ein Mini-Orchester (neue musikalische Fassung: Steven Gross) von vier Personen, welches aufspielt, »wie einst im Mai«. Applaus satt. Verdient. Di., Do., Fr., Sa., 20 Uhr, Mi. 18.30 Uhr und So. 16 Uhr, Schloßstr. 48, Steglitz, Tickets unter 70096915/ 17 (Di.-So. 15-19 Uhr)

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.