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  • Politik
  • TwentyFourSeven von Shane Meadows

Da stimmt alles

  • Caroline M. Bück
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Titel »TwentyFourSeven« ist ebenso einleuchtend, wenn man den Film kennt, wie verwirrend, bevor man ihn gesehen hat. Er bezeichnet die 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, die seine jugendlichen Antihelden mit sich und ihren immer gleichen Verweigerungsgesten allein sind. Arbeitslosigkeit, Bandenkriege, ein trostloses Umfeld, trinkende, pädagogisch überforderte Väter, geprügelte Mütter, Drogen und ein bißchen lustloses Fußballspielen in Hinterhöfen: damit verbringt Nottinghams No future-Generation ihre Tage. Bis ein unermüdlicher Optimist auftaucht und einen Boxclub aufmacht, um dem vagen Gemeinschaftsempfinden ein Ziel zu geben. Das Boxen soll die Jungen lehren, Aggressionen innerhalb von Regeln auszutoben, pünktlich“-zurrt Training' zu erscheinen und im Interesse ihres Clubs auf Drogen zu verzichten. Und ein gemeinsamer Ausflug vor dem ersten gro-ßen Wettkampf soll die städtische Misere vergessen machen und Körper und Seele trainieren.

Die idealistische Hilfe zur Selbsthilfe scheint nach ersten Schwierigkeiten Früchte zu tragen, aber die Elterngeneration ist nicht mehr zu erziehen und erweist sich bald als folgenschweres Hindernis. Die tristen Umstände sind schließlich stärker als die neue Hoffnung, und der Film nimmt ein sehr realistisch-unfrohes Ende. Allerdings sozusagen nur vorläufig: Im Ernstfall zeigt sich, wenn auch (zu) spät, was das gemeinsame Training an konstruktivem Sozialverhalten hat aufbauen können. Der Film entläßt seine Zuschauer mit einem Hoffnungs-

schimmer am Horizont, ohne in Sozialkitsch zu verfallen.

Bob Hoskins spielt Alan Darcy, den selbsternannten Sozialarbeiter, dessen Idealismus Folgen hat, nicht nur für die anderen. Niemand war überraschter als er über den Europäischen Filmpreis 1997, den er als Bester Darsteller in diesem fernsehfinanzierten Spielfilmdebüt eines hoffnungsvollen Jungfilmers gewann. Dabei fiel »TwentyFourSeven« schon auf den Filmfestspielen in Venedig durch die unsentimentale Erzählung als präzise Milieustudie auf und erhielt u. a. den Erstlingspreis der internationalen Kritikerjury für seine Darstellung von sozialen Mißständen.

Meadows' Arbeit steht in der Reihe der jüngst so erfolgreichen Filme aus der britischen Provinz, von denen er sich allerdings durch seine fast humorlose Ernsthaftigkeit und die »schmutzigere« Schwarzweiß-Fotografie absetzt. Auch wenn Seifmade-Regisseur Meadows sich nicht aus Gründen dokumentarischer Ästhetik für Schwarzweißmaterial entschieden haben will, trägt diese Wahl viel zur Glaubwürdigkeit des ausdrücklich semi-autobiographischen Films bei. Er verbindet die ehrwürdige Tradition englischer Arbeiterfilme aus den 60er Jahren mit der neuen, glatteren Ästhetik der britischen Provinzkomödien und schafft sich dazwischen seinen eigenen Stil. Daß Meadows selber aus Nottingham stammt und auch sein Co-Autor am Drehbuch, Paul Fräser, dort lebt, merkt man dem Film an. Und die Darsteller sind nur zum Teil fernseherprobte Profis, teils aber auch Schauspielschüler oder Laien. So stimmt nicht nur ihr Slang, sondern die ganze Haltung zum Leben scheint - wie aus dem Leben gegriffen.

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