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Ökologische Gewalt
Wichtiger fast noch als die Mitteilung, dass in Marokko wieder übers Weltklima verhandelt wird, erscheint der Fakt, dass dies die erste UN-Konferenz nach den Anschlägen vom 11.September ist. Das liegt sicher am Willen, das globale Leben der Politik unbeeindruckt weitergehen zu lassen. Zudem verfügt das Klimaproblem über eine besondere Nähe zu den Prozessen, die weltweit als Ursachen oder wenigstens Motive für die anwachsende Gewalt ausgemacht werden können.
Wenn Inseln im Ozean letztlich überschwemmt werden, weil mit einer ungehemmten Erderwärmung der Meeresspiegel ansteigt - ist dies nicht ein ähnlich gewalttätiger Eingriff ins Leben unschuldiger Menschen wie ein Terroranschlag gegen ein Hochhaus? Unschuldig am Schicksal ihrer Heimat sind auch die Inselbewohner. Ihre, mit der Natur weitgehend im Einklang stehende Lebensweise hätte niemals einen drohenden Klimakollaps hervorgebracht. Dies blieb dem so genannten westlichen Lebensstil vorbehalten, bei dem ein Fünftel der Weltbevölkerung vier Fünftel der Treibhausgas-Emissionen verursachen. Die Erde als ökologische Geisel.
Und muss die Einwohner der nicht-westlichen Welt nicht eine spezielle Form von Ohnmacht beschleichen, wenn sie seit Jahrzehnten schon auf die ökologische Ungerechtigkeit hinweisen, sich aber substanziell in dieser Zeit so gut wie nichts geändert hat? Wenn - im Gegenteil - die Industrieländer im Allgemeinen und die USA im Besonderen jeden erdenklichen Trick benutzen, um sich von ihrer Verantwortung fürs Weltklima freizurechnen oder freizukaufen. Muss dies nicht den Gedanken provozieren: Wenn der Untergang schon nicht aufzuhalten ist, sollten dessen Hauptverursacher nicht auch noch davon profitieren?
Insofern müssen die Industrieländer im ureigensten Interesse in Marrakesch endlich beweisen, dass sie die globalen Probleme auch noch auf andere Weise als mit Gewalt, Militär und Bomben zu lösen verstehen. Viele solcher Chancen, bis die ausufernden Konflikte jedwede Vernu...
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