NATO lässt die Schweden kalt

Außenministerin will Neutralität bewahren und Zusammenarbeit mit Militärbündnis vertiefen

  • Bernd Parusel, Stockholm
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Obwohl eine Tagung der NATO und der »Partnerschaft für den Frieden« im schwedischen Åre keine Massenproteste provozierte, flammte die Debatte über die schwedische Neutralität erneut auf.

Eigentlich sollte es die größte Demonstration in der Geschichte der 58000-Einwohner-Stadt Östersund in Nordwestschweden werden. Dies zumindest hatte das örtliche »Netzwerk für globalen Frieden und Demokratie« angekündigt. Zusammen mit weiteren Friedensgruppen, NATO-Gegnern und linken Parteien hatte das Netzwerk zu Protesten gegen eine im nahe gelegenen Wintersportzentrum Åre stattfindende Konferenz der 26 Mitgliedstaaten des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses und 20 weiteren Ländern, die der 1994 gegründeten »Partnerschaft für den Frieden« angehören, aufgerufen. Am Ende kamen nur rund 250 Demonstranten. Doch die zogen unter dem kämpferischen Motto »NATO raus aus Schweden« friedlich durch das Stadtzentrum. Der Konferenzort Åre selbst ist seit Tagen abgesperrt. 1600 Polizisten sorgen für die Sicherheit der am Dienstag und Mittwoch tagenden Politiker, Diplomaten und Wissenschaftler. Die Tagung ist das erste Treffen des 1997 geschaffenen Euro-Atlantischen Partnerschaftsrats (EAPC), der politischen Struktur hinter dem Programm »Partnerschaft für den Frieden« (PfP). Aufgabe des PfP ist es, Nicht-Mitgliedsländer an die NATO heranzuführen und die Zusammenarbeit zu erleichtern. Nach Angaben von Schwedens Außenministerin Laila Freivalds soll in Åre unter anderem über Krisen und Konflikte in Europa sowie über die weitere Zusammenarbeit innerhalb des Partnerschaftsrats beraten werden. Auch aktuelle Themen wie die Situation in Usbekistan dürften zur Sprache kommen. Da jedoch konkrete Beschlüsse nicht vorgesehen sind und weder USA-Außenministerin Condoleezza Rice noch ihre Kollegen aus Großbritannien, Russland, Deutschland oder Frankreich persönlich angereist sind, entwickelte das Treffen offenbar zu wenig Symbolkraft, um mehr NATO-Gegner nach Östersund zu locken. Gleichwohl ist die NATO in Schweden, das zwar nicht dem Bündnis selbst, jedoch der »Partnerschaft für den Frieden« angehört, ein kontroverses Thema. Schweden habe sich durch seinen Beitritt zur PfP indirekt mit der NATO alliiert, meint Kick Lijnse vom Friedensnetzwerk Östersund. »Wir sollten mit der Dritten Welt zusammenarbeiten anstatt uns dem westeuropäischen Gewaltapparat anzuschließen«, erklärte er. Frida Blom von der größten schwedischen Friedensorganisation Svenska Freds hielt in der Zeitung »Expressen« jedoch dagegen, es sei Zeit, die schwedische Neutralitätspolitik aufzugeben. Es dürfe nicht vergessen werden, dass diese Politik dazu geführt habe, dass Schweden einen eigenen Militärapparat und eine »überdimensionierte Waffenindustrie« aufgebaut habe. Wenn Schweden in der internationalen Friedenspolitik künftig aktiv sein wolle, müsse man auch mit NATO-Staaten zusammenarbeiten. Ganz anders sahen das die Demonstranten in Östersund. Schweden solle die »Partnerschaft für den Frieden« wieder verlassen. Viele Kriegsgegner betrachten den Partnerschaftsrat als Hintertür in die NATO. Als »NATO light« bezeichnete auch die Generalsekretärin der schwedischen Linkspartei, Pernilla Zethraeus, den EAPC. »Heute müssen wir unsere Außenpolitik mit EU und NATO abstimmen«, erklärte sie. Ein nicht-militärisches internationales Engagement Schwedens, wie in den 60er und 70er Jahren gegen das südafrikanische Apartheid-Regime, seien deswegen »heute undenkbar«. Laut einer kürzlich veröffentlichten Umfrage der Universität Göteborg sprechen sich nur 15 Prozent der Schweden für einen Beitritt zur NATO aus. 48 Prozent sind dagegen und wollen an der Allianzfreiheit festhalten. Manche meinen jedoch, allein die Tatsache, dass die NATO heute in Schweden eine Konferenz abhalten könne, sei ein Zeichen dafür, dass sich der Wind drehe. Jörn Svensson, ehemaliger Abgeordneter der Linkspartei im Europaparlament, erklärte: »Zu Zeiten Olof Palmes wäre eine NATO-Konferenz auf schwedischem Boden undenkbar gewesen.« Außenministerin Laila Freivalds will zwar Schwedens Neutralität bewahren, steht gemeinsamen Operationen unter NATO-Führung im Ausland jedoch positiv gegenüber: »Wir haben in vielen Missionen unter Führung der NATO gearbeitet und haben großes Interesse daran, die Zusammenarbeit...

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