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Diplomaten seilen sich ab Botschafter werden lieber im Ausland Geschäftsleute Von Peter Botschukow, Sofia

  • Lesedauer: 2 Min.

»Diplomatische Emigranten« -Bulgarien kennt ein neues Phänomen, das viel über die Lage im Lande erzählt.

Wenn ein Bulgare ein Restaurant in der Schweiz oder eine Kette von Spielsälen in Albanien eröffnen, ein schönes Haus mit Aussicht zum Kilimandscharo kaufen, ein gewinnbringendes Geschäft in den USA beginnen oder einfach emigrieren möchte, muß er oft nur eine Bedingung erfüllen - Diplomat sein. Den Diplomaten als Emigranten gibt es seit der »Wende«, als Stojan Ganew, der erste Außenminister der rechtsgerichteten UDK, monatelang nicht nach Sofia zurückkehrte. Damals hatte Bulgarien den Vorsitz in der UN-Vollversammlung inne. Und Ganew hatte sich in diese Rolle so eingelebt, daß er ein ganzes Jahr lang nicht in die Heimat zurückkehrte. Nachdem er den Posten wieder abgeben mußte, zog er es vor, in den USA zu bleiben. Er soll in New York leben und sich mit Kleinhandel befassen.

Der ehemalige Botschafter Sofias in Tirana, Stefan Naumow, ging noch einen Schritt weiter Er bekam die albanische Staatsbürgerschaft 1996 vom damaligen Präsidenten Berisha, nachdem er schon Eigentümer von Bingosälen in Tirana,

Kortscha, Elbassan und Duras war. Vor seiner Entlassung hatte er sechs Jahre lang von Albanern Geld für die Visa-Austeilung genommen. Wie die albanische Zeitung »Kocha jon« berichtet, kaufte Naumow vor drei Jahren für 250 000 Mark eine ganze Etage eines neuen Wohnblocks in Tirana. Bis heute blieb er ungeschoren.

Auch die ehemalige bulgarische Botschafterin in der Schweiz, Elena Kirtscheva, zog es lieber vor, das Land der Banken und der Schokolade nicht zu verlassen. Und auch sie sorgte für Schlagzeilen, war sie doch in einen Skandal ihres Lebensgefährten Peter Hadjidimitrow verwickelt. Der Emigrant, so Schweizer Zeitungen, sei ein Neonazi und Antisemit. Inzwischen will das Paar ein Restaurant mit bulgarischer Küche in Bern eröffnen.

Die Liste der »diplomatischen Emigranten« ist lang, sie reicht vom Exbotschafter in Washington bis zu seinem Kollegen in Island. Viele aus dem auswärtigen Dienst sahen und sehen ihre wichtigste Aufgabe im Ausland in der Wahrnehmung ihrer persönlichen Interessen. Und gesetzliche Schranken für diese unmoralische Arbeitsauffassung gibt es nicht. Verheerende Auswirkungen hat sie zudem im Lande selbst. Denn hier sagen sich die »einfachen Leute«, wenn sogar die Diplomaten fliehen, dann kann es keine gute Perspektive mehr für Bulgarien geben.

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