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Porzellan mit Tradition
Einstiges Sintolanwerk in Annaburg beschäftigt heute 60 Mitarbeiter
Mancher im Osten kennt noch das Steingutgeschirr Onyx mit den klaren Formen, das 1969 auf der Leipziger Herbstmesse ausgestellt wurde. Es kam aus dem VEB Steingutwerk Annaburg. Heute ist Onyx höchstens in Museen mit DDR-Erzeugnissen zu finden. Aber das Annaburger Werk steht noch, und es produziert.
Das Sintolanwerk, aus dem seit 1973 das so genannte »Geschirr, das viel mitmachte«, kam, stand nach der Wende wie viele andere vor der Abwicklung. Obwohl ein Gutachten empfahl, es wegen seiner Struktur und Substanz zu erhalten, waren sich 1991 die Treuhandanstalt, das Land Sachsen-Anhalt und der Landkreis Jessen einig, es zu schließen. Dieser Abwicklungsbeschluss wurmte Peter Ploss, der im Bilde war, was sich in der keramischen Industrie der DDR abspielte. Er stammt aus Selb in der Oberpfalz, kennt die Porzellanwerke in aller Welt, denn er hat einige im Ausland aufgebaut oder sie mit der deutschen Erfahrung versorgt. In Selb besitzt er ein Consulting-Unternehmen und eine Vertriebsorganisation, und er weiß, dass es an Herstellern von Geschirr nicht mangelt. Aus dieser Sicht war das Werk in Annaburg, obendrein mit recht alter Technologie, tatsächlich überflüssig. Dass dort dennoch fünf Dutzend Menschen ihren Arbeitsplatz weiter haben und das Werk sogar zum touristischen Anziehungspunkt wurde, ist vor allem dem Ehrgeiz von Ploss zu verdanken, der sich einen Wunsch erfüllen konnte: Chef einer Porzellanfabrik und nicht nur, wie bisher, ihr Berater zu sein. Solche Gelegenheit kam nie wieder. Ploss ließ 1991 eine neue Expertise fertigen, nervte die Treuhandanstalt, bis er zu hören bekam: »Na, dann machs doch!« Ohne viel Hilfe von Politikern und ohne Unterstützung der Banken, aber mit Riesenschwierigkeiten ging er ans Sanieren und Renovieren. Ploss sagt: »Von früher sind nur die Menschen, sonst ist alles ausgewechselt.« Das kann man kaum glauben, wenn man in Annaburg auf dem Fabrikhof steht. Dem sieht man das Früher noch an, nur ist der Hof jetzt aufgeräumt und pieksauber. Innen aber ist alles umgekrempelt. Da werden nicht mehr Schubkarren mit Kohlen zu den Rundöfen geschoben. Handarbeit ist nur am dünnen Material zu sehen, am Vitro-Porzellan, das seine Verwandtschaft mit dem Steingut nicht ganz verleugnen kann. Vieles, von der Aufbereitung der Porzellanmasse bis zum Brennen, ist automatisiert, nur die Dekoration der Tassen und Teller mit Pinsel oder einem schnöden Abziehbild ist aufwändig. 576Frauen und Männer wie zu besten DDR-Zeiten konnte Peter Ploss nicht beschäftigen. Ihm genügten 60, weshalb ihm die, die gehen mussten, noch böse sind. 2001 gibt es 70Porzelliner. »Vielleicht werden es 2003 hundert sein«, orakelt der Geschäftsführer der heutigen Annaburg Porzellan GmbH. Dem im Marketing und Absatz erfahrenen Bayern brauchte man nicht zu sagen, dass er mit Annaburger Porzellan nicht gegen die Markenware der renommierten westdeutschen Hersteller antreten konnte. Aber er kann für sie produzieren. Wen interessiert es schon, woher Hutschenreuter tatsächlich kommt. An die großen Kaufhäuser kam er nicht heran, zumal die auch die Preise drücken. »Ich habe die Gastronomie beworben, leider leisten sich nur wenige Hotels und Restaurants spezielles Geschirr mit ihren Namen«, bemerkt Ploss. Er stellt die Flexibilität seiner Firma heraus, die am liebsten Großserien produziert, sich aber auch mit Aufträgen zu 100Stück, so Werbegeschenken, zufrieden gibt. Die Designer-Hochschule Burg Giebichenstein in Halle entwarf die »Easy Function«, ein Geschirr für Behinderte, das wegen der anders gearteten Griffgestaltung auffällt und gerade deshalb auch vom »Normalbürger« als etwas Einzigartiges gekauft wird. Ganz ideensprühender Geschäftsmann organisierte Ploss einen Werkverkauf, bei dem auch nicht der große Parkplatz für die Reisebusse fehlt, sowie ein Café in einer ehemaligen Produktionsstätte. Das wurde auch zum Anziehungspunkt der Stadt, treten doch hier regelmäßig Sänger, Schauspieler und Kabarettisten auf. Und er richtete ein kleines Museum ein, in dem die Herkunft des Werkes nicht geleugnet wird. Selbstverständlich steht es für Besichtigungen offen, und es fehlt auch ...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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