Späte Sühne für ein SS-Massaker
Zehn frühere SS-Männer wegen Mordes an 560 Zivilisten in Italien in Abwesenheit verurteilt
Zehn ehemalige deutsche SS-Soldaten sind in Italien zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden. Sie wurden für schuldig befunden, 1944 in Sant'Anna di Stazzema in der Toskana 560 Zivilisten ermordet zu haben.
»Bei all denjenigen, die nicht mehr sind, bei all denjenigen, die damals starben oder im Laufe dieser vielen Jahre, entschuldige ich mich, weil ich, weil die Gerechtigkeit erst so spät kam. Es stimmt, diese Menschen, die hier verurteilt wurden, werden ihre Schuld nicht verbüßen, aber zumindest müssen sie mit ihrem eigenen Gewissen abrechnen.« Das erklärte der Militärstaatsanwalt Marco de Paolis im Gerichtssaal in La Spezia. Dann brach er in Tränen aus und wurde von vielen der Überlebenden und Angehörigen der Opfer umringt, die nach La Spezia zur Urteilsverkündung gekommen waren. Bürgermeister Michele Silicani sagte: »Wir werden den Staatsanwalt zum Ehrenbürger ernennen.« Am 12. August 1944 verübten die Deutschen auf ihrem Rückzug eines der schlimmsten Massaker. Sie ermordeten mit Maschinengewehren und Handgranaten etwa 560 Menschen - die genaue Zahl wurde nie bekannt, da die Männer der Panzerdivision »Reichsführer SS« die Leichen nach dem Massenmord verbrannten. Es waren fast alles Frauen und Kinder, das jüngste wenige Stunden alt. Warum es zu diesem furchtbaren Gewaltausbruch kam, wurde auch jetzt nicht genau geklärt. Auf jeden Fall war es keine »Vergeltungsaktion«, wie ein ehemaliger deutscher Soldat als Zeuge glaubwürdig erklärte. Aber die Schuld der zehn Angeklagten wurde, so das Gericht, einwandfrei bewiesen. Nur einer von ihnen entschuldigte sich mit einem Brief bei seinen Opfern. Keiner der früheren SS-Männer, die heute alle über 80 sind, war zum Prozess erschienen, und keiner von ihnen wird seine Haftstrafe antreten. Aber möglicherweise kommt auch in Deutschland ein Prozess auf sie zu: Die Staatsanwaltschaft von Stuttgart ermittelt seit 2002 wegen des Massakers und hat eng mit den italienischen Behörden zusammengearbeitet. Ob und wann das Verfahren beginnen wird, ist allerdings fraglich. Doch für die Bewohner von Sant'Anna di Stazzema ist es vor allem wichtig, dass dieser Prozess überhaupt stattfand, dass - wenn auch erst 61 Jahre danach - Recht gesprochen wurde, selbst wenn es für viele der Überlebenden kaum zu ertragen war, noch einmal in allen Einzelheiten an das grausame Geschehen erinnert zu werden. »Ich muss immer an meine Schwestern denken, die alle ermordet wurden«, sagte Adele Pardini. »Und besonders an diejenige, die mir das Leben rettete, weil sie mich mit ihrem Körper gedeckt hat ...« Enrico Perri, der damals zehn Jahre alt war und bei dem Massaker Geschwister, Eltern und Großeltern verlor, erklärte: »Das Urteil kommt zu spät. Aber es ist trotzdem wichtig. Es wird den neuen Generationen dienen und Europa weiter zusammenschweißen.« Unterdessen beginnen in Italien am 5. Juli Vorverhandlungen für zwei weitere Prozesse gegen Wehrmachtssoldaten. Die Ermordung von bis zu 1800 Zivilisten in dem Bergstädtchen Marzabotto im Apennin im September 1944 gilt als das schwerste deutsche Kriegsverbrechen in Italien. In Civitella bei Are...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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