Montagsdemo an einem Sonnabend

Erster zentraler Protest gegen Hartz IV im Bundesland findet in fünf Tagen in Jüterbog statt

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer am Sonnabend an der zentralen Demonstration gegen Hartz IV in Jüterbog teilnehmen möchte, der sollte heute Abend zur Montagsdemonstration in seiner Heimatstadt gehen und sich da erkundigen, wo und wann der Bus nach Jüterbog startet.
In Frage kommen für die Abfahrt die Städte Senftenberg, Angermünde, Eberswalde, Finsterwalde, Eisenhüttenstadt, Frankfurt (Oder), Königs Wusterhausen, Elsterwerda, Forst, Bad Freienwalde, Potsdam, Erkner, Storkow, Spremberg, Kyritz, Brandenburg an der Havel, Zossen, Hoyerswerda und Berlin. In diesen Kommunen gibt es noch Montagsdemonstrationen oder zumindest Sozialbündnisse.
800 bis 1000 Teilnehmer meldeten die Organisatoren der »1. gemeinsamen Brandenburger Montagsdemonstration« an. Die Veranstaltung beginnt am 2. Juli - also an einem Sonnabend und nicht an einem Montag - um 14 Uhr auf dem Jüterboger Marktplatz und endet nach einer Schleife durch die Altstadt zwischen 17 und 18 Uhr am selben Platz. Bei den Kundgebungen reden Professor Peter Grottian von der Freien Universität Berlin und viele Betroffene von Hartz IV. Der Entschluss, so etwas zu machen, reifte im März bei einem Treffen der Organisationskomitees der einzelnen märkischen Montagsdemonstrationen in Templin.
Zunächst hieß es, die zentrale Protestaktion solle in Königs Wusterhausen stattfinden. Bei einem zweiten Treffen - diesmal in Königs Wusterhausen - einigte man sich dann aber auf Jüterbog, berichtet Michael Maurer. Der gelernte Kunstglaser, der ursprünglich aus Hessen stammt und in der kleinen Ortschaft Dallichow in der Nähe von Jüterbog wohnt, zählt zu den Aktivisten der Montagsdemo in der südbrandenburgischen Stadt. Maurer ist selbst langzeitarbeitslos und damit Betroffener von Hartz IV. Seinen letzten Job hatte er im Jahr 1997. Bis dahin leitete er die Filiale eines Handwerksbetriebes.
Die Protestaktion scheint bislang einzigartig zu sein. Von einer zentralen Montagsdemo in einem Bundesland hat Maurer noch nichts gehört. Nur ein Landestreffen bayerischer Montagsdemo-Aktivisten in Nürnberg ist ihm zu Ohren gekommen. Die vorerst letzte Montagsdemonstration in Jüterbog gab es am 23. Mai. Nach 40 Wochen Protest kamen zuletzt nur noch um die 50 Teilnehmer. Weil die Furcht bestand, in der Ferienzeit werden es noch weniger, einigte man sich, die Montagsdemo auszusetzen.
Davon, dass am Sonnabend in Jüterbog Hunderte, wenn nicht sogar Tausende Hartz IV-Betroffene auf die Straße gehen, erhofft sich Maurer einen »Kick«. Vielleicht lohnt es sich danach wieder, in der Stadt eine normale Montagsdemonstration anzumelden. Unter sinkenden Teilnehmerzahlen litten zuletzt auch andere Montagsdemonstrationen. Nicht von ungefähr kommt deshalb das Motto für Jüterbog: »Nicht einsam - Gemeinsam gegen den Sozialabbau«.
Vielleicht war es ein Fehler, die Montagsdemonstrationen auf Hartz IV zu reduzieren, anstatt mit Kranken, Alten und »noch Arbeitenden« gegen die Agenda 2010 vorzugehen, überlegt Maurer. »Wenn ich jemanden treffe und frage, warum er nicht mehr kommt, dann heißt es meistens: "Das bringt ja eh nichts "«

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