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Mogelpackung Zahnersatz

Für gesetzlich Versicherte wird seit heute ein Extrabeitrag fällig

  • Michaela von der Heydt
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Nach höheren Zuzahlungen, Praxisgebühr und dem Wegfall der Kostenerstattung für rezeptfreie Medikamente werden die Versicherten erneut zur Kasse gebeten - trotz Milliarden-Überschüssen bei den Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV).

Ab heute müssen gesetzlich Krankenversicherte - auch Rentner - bei ihren Kassenbeiträgen einen zusätzlichen Beitrag von 0,9 Prozentpunkten aus eigener Tasche berappen. Obwohl die Kassen ihre Beiträge senken müssen, bleibt den Versicherten Minus von 0,45 Prozent.
An den 0,9 Prozentpunkten beteiligen sich weder Arbeitgeber noch Rentenversicherer. Von den gleichzeitig sinkenden Kassenbeiträgen (ebenfalls 0,9 Punkte) profitieren indes Arbeitnehmer und Arbeitgeber je zur Hälfte. Unter dem Strich steigt damit die Belastung für die Versicherten um rechnerisch 0,45 Prozentpunkte, während die Unternehmen im selben Umfang sparen.
Verdient etwa ein Arbeitnehmer monatlich 2000 Euro brutto, zahlte er bisher bei einem Beitragssatz von 14 Prozent 140 Euro. Weitere 140 Euro trug der Arbeitgeber. Da der Beitragssatzes heute um 0,9 auf 13,1 Prozent sinkt, reduziert sich auch der Beitrag für Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf jeweils 131 Euro. Der Arbeitnehmer muss mit dem Sonderbeitrag von 0,9 Punkten künftig allerdings neun Euro mehr zahlen. Ausgenommen sind Bezieher von Arbeitslosengeld II und Sozialhilfeempfänger.
Ursprünglich sollte der aus Einzelzuschlägen von 0,4 und 0,5 Prozent zusammengesetzte Zusatzbeitrag die Kosten für Zahnersatz und Krankengeld abdecken. Ziel war es, die Arbeitgeber zu entlasten. Laut Regierungsangeben werden die Lohnnebenkosten um rund 4,5 Milliarden Euro pro Jahr gesenkt. Ob dies konjunkturelle Impulse setzt, darf bezweifelt werden. Arbeitnehmer haben weniger Geld, und Betriebe haben kaum je solche Geschenke für Einstellungen genutzt.
Kritisiert wird die neue Regelung auch, weil der Sonderbeitrag nicht mehr zweckgebunden an die Kassen fließt. Noch im November 2004 sagte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt: »Ab dem 1. Juli 2005 zahlen die Versicherten einen Beitragssatz von 0,4 Prozent für den Zahnersatz.« Doch im neuen Gesetz ist nur noch von einem »zusätzlichen Beitragssatz« die Rede.
Von tausenden abgerufenen Widerspruchsformularen berichten VdK, Sozialverband Deutschland und Volkssolidarität. In Musterklagen wollen die Verbände notfalls bis vors Bundesverfassungsgericht gehen. Rentner dürften nicht mit Kosten für Krankengeld belastet werden, meint der Bundesgeschäftsführer der Volkssolidarität, Bernd Niederland.
Auch Wolfram Candidus von der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten spricht von einer »Mogelpackung«. Und Heidemarie Krause-Böhm von der Verbraucherzentrale Bayern kritisiert, damit werde erstmals der Grundsatz der paritätischen Finanzierung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern durchbrochen.

Zahnersatz-Tipps
Kostenplan: Der nötige Heil- und Kostenplan sollte vor Therapiebeginn genehmigt und das Bonusheft weitergeführt werden. Bei regelmäßiger Vorsorge gibt es höhere Festzuschüsse.
Private Zusatzversicherungen übernehmen meist 20 bis 30 Prozent der Gesamtkosten. 10 bis 20 Prozent bleiben immer am Versicherten hängen.
Genau nachrechnen: Ob sich eine Zahnzusatzversicherung lohnt, hängt von den persönlichen Bedürfnissen ab. Versicherte können ausrechnen, wieviel sie im Jahr aus eigener Tasche bezahlen müssen und die Summe mit den Kosten für eine Versicherung vergleichen. Liegen die Kosten darunter, lohnt sich in der Regel eine Zahnzusatzversicherung nicht.Es könnte günstiger sein, Geld für den Zahnersatzfall anzusparen.
Angebote vergleichen: Wer eine private Zahnzusatzversicherung abschließen möchte, sollte das Leistungspaket und das Kleingedruckte genau lesen.
Kündigungsrecht: Verbraucherschützern zufolge können Versicherte wegen der jetzigen Beitragserhöhung von 0,45 Prozent immerhin ihr Sonderkündigung...

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