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Patriotischer Geschäftssinn
»Freiheitsanleihen« - US-Kriegsfinanzierung mit Tradition
Vor einigen Tagen sprach sich das US-amerikanische Repräsentantenhaus für die Ausgabe von »Freiheitsanleihen« aus. Damit unterstützen die Abgeordneten Präsident Bushs Verkündigungen der letzten Wochen, dass sich die USA in einem Krieg befinden - »gegen den Terror«, wie der US-Präsident sich ausdrückte. »Freiheitsanleihen« haben in den USA eine Tradition, die unmittelbar mit dem Ersten und Zweiten Weltkrieg verbunden ist.
Das erste Freiheitsanleihe-Gesetz wurde im April 1917 aufgelegt, wenige Tage, nachdem die Vereinigten Staaten Deutschland den Krieg erklärt hatten. Anlass war die Verkündung des uneingeschränkten U-Boot-Krieges durch Deutschland. Gegen die Versenkung amerikanischer Schiffe oder von Schiffen mit amerikanischen Passagieren an Bord hatte die USA-Regierung mehrmals heftig protestiert, ehe Präsident Woodrow Wilson unter dem Beifall der Amerikaner den amerikanischen Kriegseintritt verkündete. Das Gesetz ermächtigte den Finanzminister (Treasury Secretary), Anleihen bis zu zehn Milliarden Dollar auszuschreiben. Jeder Bürger wurde aufgefordert, »Freiheitsanleihe« zu zeichnen. Damit der »einfache Mann auf der Straße« die Chance hatte, sich als Patriot zu zeigen, wurden eine Stückelung der Anleihe vorgenommen, die bis 50 Dollar herunterging. Die versprochene Rückzahlung nach dem Krieg und eine Verzinsung von dreieinhalb bzw. viereinhalb Prozent war die in der Öffentlichkeit nicht weiter hervorgehobene Seite des »patriotischen Aktes«, Kriegsanleihen zu zeichnen.
Da sich der Krieg gegen Deutschland, auch nach dem Eingreifen der USA, länger hinzog und vor allem teurer wurde als zunächst von der Wilson-Administration vorausgesehen, blieb es nicht bei der ersten Kriegsanleihe. Weitere drei folgten 1917 und 1918 unter dem Namen Freiheitsanleihe. Eine fünfte, die erst nach dem Waffenstillstand im November 1918 aufgelegt wurde, erhielt die Bezeichnung »Sieg- und Freiheits-Anleihe«. Die ursprünglich genehmigte Summe von zehn Milliarden Dollar für Anleihen wurde bis Ende des Krieges mit 18,5 Milliarden Dollar beträchtlich überschritten. Aber auch dieser Betrag reichte keineswegs für die Bestreitung der aus der Kriegsführung resultierenden Mehrausgaben aus. Die US-Regierung griff deshalb noch zu einem anderen, bereits im Bürgerkrieg 1861-1865 erprobten Mittel und beschloss »neue und schwerere Steuern«. Der Kongress stimmte unbedenklich zu, verweigerte sich allerdings bei einer anderen, ebenfalls im Sezessionskrieg erprobten Kriegsfinanzierungsquelle, der Erhöhung der Einfuhrzölle. Deren Senkung hatte das Parlament erst 1913 durchgesetzt und wollte in diesem Bereich wohl sein Gesicht wahren. Ingesamt wurden fast zwei Drittel der amerikanischen Kriegskosten über Anleihen aufgebracht, knapp ein Drittel durch Steuern und etwa fünf Prozent über die Erhebung von Einfuhrzöllen.
Als Präsident Franklin D. Roosevelt am 1. Mai 1941 vor surrenden Kameras den ersten Sparanleiheschein der Serie E kaufte und damit für die erste Kriegsanleihe der USA im Zweiten Weltkrieg zeichnete, knüpfte er an die Kriegsfinanzierungspolitik seines Vorgängers und Parteifreundes Woodrow Wilson an. Das war noch sieben Monate vor Pearl Habour, aber bereits in einer Zeit, da abzusehen war, dass die USA ihre zu Beginn des zweiten Weltkriegs verkündete Neutralitätspolitik nicht würden durchhalten können. Der ersten Kriegsanleihe folgten weitere sieben. Die Sparanleihescheine wurden am 3. Januar 1946 verkauft. Dabei handelte es sich um Stückelungen einer achten Kriegsanleihe, die den Namen Siegesanleihe trug.
Alle Anleihen zusammen brachten 157 Milliarden Dollar ein. Etwa ein Drittel dieses Betrages wurde von Einzelpersonen (»Patrioten«) gekauft, knapp zwei Drittel von Unternehmen, der Rest von Handelsbanken eingezahlt. Dass Firmen sich im großen Maße beteiligten, lag vor allem daran, dass sie am Kriegsgeschäft enorm verdienten und ungeachtet zu tätigender Investitionen und erhöhter Besteuerung genügend Mittel »flüssig« hatten. Natürlich hofften sie, dass sie ihr in Kriegsanleihen gestecktes Geld gut verzinst zurückerhalten würden wie schon nach dem Ersten Weltkrieg. Ähnliche Überlegungen motivierten natürlich auch manchen USA-Bürger, durch die Zeichnung von Kriegsanleihen seinen Patriotismus mit Geschäftssinn zu verbinden.
Deutscher Propagandaaufruf aus dem I. Weltkrieg ...
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