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\m Milliarden auf den Kompost

Landeszentralbank Bayern prüft Recycling für alte Banknoten Von Michael Franken

  • Lesedauer: 4 Min.

In den Landeszentralbanken werden verschmutzte und beschädigte Banknoten dem Kreislauf entzogen. Die Geldbearbeitungsautomaten leiten nicht mehr umlauffähige Scheine in einen Schredder, der sie in rund 800 Teilchen zerschneidet. Rund 1000 Tonnen Scheine werden so jährlich aus dem Verkehr gezogen. 90 Prozent davon werden bislang verbrannt. Die rund 87 000 Tonnen DM-Münzen, die mit dem Euro überflüssig werden, sind einfacher zu entsorgen: '“Sie werden eingeschmolzen.

Foto: Vision photos

Bis spätestens Juli 2002 müssen, wenn der Euro als Bargeld kommt, rund 2,6 Milliarden alte DM-Banknoten entsorgt werden. Die obersten Geldhüter der Nation haben zwei Verfahren in die engere Wahl gezogen.

Mitte Mai 1998 klingelte bei der Firma Umweltschutz Nord GmbH in Ganderkesee bei Bremen das Telefon. »Ein Containerunternehmer hatte uns gefragt, ob wir ein paar Millionen haben wollten«, erinnert sich Gerald Vollmer-Heuer Dem Mikrobiologen war sofort klar, daß das kein Spaß war- 30 Millionen Mark, kleingehäckselt und in blauen Säcken verpackt, sollten stofflich verwertet werden. Die Landeszentralbank in Oldenburg war auf der Suche nach einer Alternative zur Deponierung bzw Verbrennung alter Geldscheine.

Für die Firma Umweltschutz Nord eine echte Herausforderung. Das Ganderkeseer Unternehmen, eine Tochter der Ruhrkohle AG, hat sich auf die Herstellung von Gartenkompost spezialisiert. Die alten und unbrauchbarenBanknoten sollten zu Naturdünger mutieren. Nach einigen Versuchen fanden die Biomüll-Experten auch die richtige Mischung.

Bei alten Banknoten handelt es sich um einen besonderen »Rohstoff«. Damit das Geldpapier griffest und haltbar ist, wird es mit Wachs und Leinöl imprägniert. So nimmt es nur schwer Feuchtigkeit auf, ein Nachteil für den Rotteprozeß. Werden die Geldschnipsel aber mit einem Anteil von zehn Prozent unter Kartoffelschalen, welke Blumen und dampfenden Biqmüll gemischt, zerfällt das teure Zeug. »Nach zwei Wochen bei 70 Grad Celsius und 100 Prozent Luftfeuchtigkeitbleibt von den Scheinen kein Krümel mehr übrig«, erklärt Vollmer-

Heuer. Weitere acht bis zehn Wochen Nachrotte sind erforderlich, damit aus dem frischen Kompost verkaufsfähiger Gartendünger der Marke »Bioferm« wird. Ein 40-Liter-Sack Kompost entspricht dann dem »Gegenwert« von etwa 200 000 Mark. Gustav Henke, Unternehmenssprecher der Umweltschutz Nord, betrachtet das Verfahren als ausgereift. »Die Verbrennung von Banknoten oder die Endlagerung auf Deponien ist nicht mehr nötig«, ist sich Henke sicher Kapazitätsprobleme hätte das auf 30 000 Tonnen im Jahr ausgelegte Kompostwerk in Ganderkesee nicht. »Wir könnten alle alten Geldscheine in Blumendünger umwandeln«, sagt Henke.

Die Landeszentralbank (LZB) Bayern untersucht für die Deutsche Bundesbank seit einem halben Jahr verschiedene Möglichkeiten einer sinnvollen Verwertung der Schredderabfälle, die bei der Vernichtung von Banknoten anfallen. Das Kompostierverfahren der Nordlichter halten die Experten aus München für »grundsätzlich praxistauglich«. Einige Aspekte sprechen für die biologische Verwertung. »Weil Kompostieranlagen überall in Deutschland vorhanden sind, könnte die Verwertung dezentral organisiert werden. Kurze Transportwege erleichtern das umweltverträgliche Recycling«, erklärt Eckhard Maier, bei der LZB in München fürs kostbare Altpapier zuständig. Über mangelndes Interesse am Thema Altgeld kann sich Maier nicht beklagen. Besonders pfiffig ist aus seiner Sicht ein Verfahren, das ein kleines Unternehmen aus dem Siegerländischen Kreuztal entwickelt hat. Die GFU Umweltlogistik und -management GmbH hat sich auf Entsorgungslösungen für die Getränkeindustrie spezialisiert. In Zusammenarbeit mit der Technischen Universität München hat GFU eine als »Weihenstephaner Verfahren« bezeichnete Verwertung der alten Banknoten in der

Ziegelherstellung entwickelt. Das Verfahren war ursprünglich gedacht, um Altetiketten aus Flaschenwaschanlagen zu verwerten. »Was mit nassen Etiketten möglich ist, kann auch mit Banknoten gemacht werden«, erklärt Volker Bell, kaufmännischer Leiter der GFU Die geschredderten Banknoten werden mit den klebrigen Etiketten gemischt. Die Mixtur wird pelletiert. Die Pellets gehen dann an Ziegeleien, wo sie der Tonfohmasse beigemischt werden. Während des Brennens der Rohziegel glühen die Pellets vollständig aus. »Dadurch bilden sich Poren, die Luft binden und so die Wärmedämmung des Klinkers erhöhen«, weiß GFU-Geschäftsführer Bell. Der Vorteil: Das Banknotengemisch kann herkömmliche Ausbrennstoffe wie Styropor und Sägemehl ersetzen. Umweltverträglicher sind die alten Geldscheine, denn beim Ausbrennen von Styropor entstehen laut GFU-Angaben Benzole und Dioxine, und beim Verbrennen von Sägemehl als Hilfsstoff entweicht Formaldehyd. »Die Ziegelporosierung ist hochwertige stoffliche Verwertung«, sagt Maier begeistert. Die GFU ist optimistisch, daß sie von der bayrischen Landeszentralbank den Zuschlag fürs DM-Recycling erhält.

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