Boule, Boccia, Pétanque - die Welt ist eine Kugel

Von Aerobic bis Wasserski erobern derzeit 120 »Randsportarten« Zuschauerherzen

  • unserem Berichterstatter Jirka Grahl, Duisburg
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.

Noch bis zum Wochenende finden im Ruhrgebiet die 7. World Games statt. Das ist, seit 1981 im Vier-Jahres-Rhythmus ausgetragen, ein zehntägiges »Olympia« für rund 40 nichtolympische Sportarten. In 120 Einzeldisziplinen von Aerobic bis Wasserski starten 3500 Aktive aus 100 Ländern. Und so manche der so genannten Randsportarten wird dabei zum Zuschauermagnet.

Der Anblick ist speziell. Doch die hunderte Zuschauer auf den Traversen am Alfrediplatz stören sich nicht daran. Sie schauen Weltklassesportlern zu, die ihren Sport in Jeanshosen bestreiten: Beim Pétanque-Halbfinale treten sowohl die Nationalmannschaft von Madagaskar als auch die Auswahl des Deutschen Pétanque-Verbandes in der Alltagskleidung auf. Die Besucher interessiert die Kleiderordnung nicht: »Ich will mal sehen, wat die Weltbesten so drauf haben«, sagt eine ältere Dame mit rheinländischem Akzent in der ersten Reihe, die eben besonders laut gejubelt hat. »Und es ist einfach fantastisch, wie die dat allet so treffen.« Boule, Boccia, Pétanque - die Welt ist eine Kugel. Es gibt etliche Varianten dieses Präzisionssportes, der hier bei den World Games unter dem Oberbegriff Boule präsentiert wird. Die hier zu Lande bekannteste Disziplin ist das Pétanque, bei dem jeweils drei Mann pro Team versuchen, ihre insgesamt sechs Eisenkugeln so nah wie möglich an einer kleinen Zielkugel aus Holz, dem »Schweinchen« (französisch: Cochonnet), zu platzieren. Die besten Teams kommen aus Frankreich oder Belgien, aber auch aus Thailand. Geworfen wird im Wechsel, nach jedem Wurf beratschlagen die Teams auf dem Schotterplatz in aller Ruhe die Strategie für die nächsten Würfe. Kein Wunder, dass die Franzosen diesen Sport gerne mit einem Glas Rotwein und einer Zigarette im Mundwinkel betreiben. Und den Zuschauern bleibt ebenfalls genug Zeit zum Fachsimpeln. Doch es gibt auch Boule (aus dem Französischen: Kugel), bei dem man ins Schwitzen kommt: »Das Lyonnaise ist viel athletischer«, sagt Iliena Pasin. Die Italienerin läuft beim »Tir Progressif« (Rundlauf) fünf Minuten auf einer etwa 15 Meter langen Bahn hin und her und versucht dabei, so viele Kugeln wie möglich über eine Distanz von zehn Metern zu treffen. Eine schweißtreibende Variante, für das die 26-Jährige Pieve di Soligo ordentlich Kondition bolzen muss. Auch beim Boccia (aus dem Italienischen: Kugel) kommt es auf Kondition und auf Kraft an. Bei der italienischen Variante dieses Sports wird auf einer harten, ebenen 26,50 Meter langen Bahn gespielt. Das rollt alles viel schneller als bei Pétanque; die Zielkugel heißt hier »pallino« (Kügelchen). »Boccia ist ein Sport für alle Altersklassen«, sagt der Augsburger Alfred Geierhos, Präsident des Boccia-Bundes Deutschland. »Und er kann bis ins hohe Alter gespielt werden.« Konrad Adenauer liebte das Spiel genauso wie Papst Johannes Paul II. Zwei Millionen Menschen in Europa spielen die Variante Boccia. Der deutsche Boccia-Nationalspieler Giuseppe Garieri, ebenfalls Augsburger, freut sich, mit seiner Sportart bei den World Games dabei zu sein. »Es ist schön, die Sportler der anderen Disziplinen einmal kennen zu lernen.« Ist es nicht auch toll, mal vor hunderten Zuschauern zu spielen? »Schon, aber eigentlich auch nichts Besonderes. In Italien habe ich schon vor 50...

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