Der Ausflug der blauen Dame

Künstlerinnen widmen sich in der Galerie M Frauen aus der Kunstgeschichte

  • Matthias Busse
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Herz und eine Seele sind neun Künstlerinnen aus Bonn mit berühmten Kolleginnen. Jede der in der Marzahner Galerie M gezeigten Arbeiten ist eine Referenz an jeweils eine Frau von kunstgeschichtlichem Rang. »Doppelherz« heißt diese Ausstellung der Ateliergemeinschaft »zart & zackig«, zu der auch die Gründerin des Frauenmuseums Bonn, Marianne Pitzen, gehört. Pitzen verehrt Gabriele Münter. Denn was ist die von München geradelt, um 1901 Zeichenunterricht in der freien Natur zu nehmen. Bald darauf ist sie wegen ihres Zeichenlehrers weit gefahren. Wassily Kandinsky hieß der. Er hat sie gegen die intriganten Männer in der Künstlergruppe Der Blaue Reiter verteidigt. Doch dieser K., wie sie ihn nannte, bleibt in dem Environment auf der oberen Ausstellungsetage unsichtbar. Da radelt die Münter noch einmal, ganz in Blau wie ihr Haus, das sie sich in Murnau gekauft hat. An den Wänden reihen sich Fotografien von Horst Pitzen, der seine Frau auf den Spuren der Münter festgehalten hat. In den Raum hinein sind farbige Papierbahnen als Landschaft gelegt, die von blauen, orangen und rosaroten Karton-Häusern gesäumt wird. Die Farben der Münter sind es, die Pitzen noch heute begeistern. Weniger realistisch begibt sich Marlen Seubert auf die künstlerischen Spuren der 2004 in Mainz verstorbenen Bildhauerin Emy Roeder. Sie hatte 1944 während ihrer Gefangenschaft bei den Alliierten Frauen unter der Dusche gezeichnet. Marlen Seubert nahm das als Anregung für eine Serie von Reliefbildern, die das Thema »Säuberung« ganz hintergründig erfassen. Erst bei genauer Betrachtung erschließt sich, dass diese monochromen, gelblich-weißen Bilder nicht durch dicken Farbauftrag entstanden sind, sondern gewaschene und aufgespannte Tierhäute sind. Gereinigte Schönheit überwindet den Ekel, den sonst Innereien hervorrufen, deren netzartige Struktur Marlen Seubert mit einer Diaprojektion verbindet. Beide Arbeiten sind beispielhaft für die Ausstellung. Die Werke kopieren nicht den Kunststil der Vorbilder, sondern Bekanntes steht am Anfang einer Auseinandersetzung, die etwas Neues hervorbringt. Mal überwiegt dabei die philosophische Komponente, ein anderes Mal die Figuration. Hat Käthe Kollwitz das Elend und die Schrecken des Krieges in präzisen Großaufnahmen der geschundenen Menschen festgehalten, so will Martine Metzing-Peyre dasselbe durch Unschärfe und großen Abstand erreichen. Ihre schemenhaften, kleinen Gestalten sind durch Vertreibung zu Nomaden gewordene Wanderer in einer großen, abweisend-kahlen Welt. Die heutigen Künstlerinnen berufen sich nicht nur auf die berühmten Frauen, sondern wollen auch daran erinnern, dass weibliche Künstler meist im Schatten der Männer standen. Anna S. von Holleben setzt sich mit den Environments von Anna Oppermann auseinander, Heide Pawelzik in einer Installation mit der Malerin Mona Hartoum, Jutta Schmidt mit der 2004 verstorbenen amerikanischen Malerin Agnes Martin, Tina Wedel mit der Gestalterin und Grafikerin Sonia Delaunay und Ilse Wegmann mit Rosemarie Trockel. Inge Broska arrangiert nach Dada-Manier Fundstücke zu einer Objektcollage, dass es Hannah Höch das Herz erfreuen würde. Bis 21. August, So.-Do. 13-18 Uhr. Marzahner Promenade 13, Marzahn, Tel.: 545 02 94
Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal