Heyn, der Stuhlrohr-Fabrikant

Ein Stück Weg des einst wenig beachteten Rohstoffs Rotan von Malakka ins Panke-Museum

  • Matthias Busse
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.
Korb ist nicht gleich Korb. Rattanmöbel und Peddigrohrsitze gibt es in unterschiedlichen Qualitäten. Noch sieben Werkstätten halten das Korbmacherhandwerk in Berlin hoch. Denn der in das Stuhlgestell eingeflochtene Sitz sei besser und haltbarer als ein lediglich eingeheftetes, maschinell hergestelltes Fertiggeflecht, meinen Fachleute. Wie mühselig die Bearbeitung des Rotans ist, zeigt die Ausstellung »Von Malakka nach Berlin« im Panke Museum. Zur Gründerzeit wohnte in der original erhaltenen Belle Etage, in der das Heimatmuseum heute residiert, der Pankower Stuhlrohr-Fabrikant Fritz Heyn. Zum Leben und Wirken des Unternehmers, der auch lokalpolitisch aktiv war, möchte das Museum jährlich eine Ausstellung zeigen. Das ist kein leichtes Unterfangen, denn wenig ist über den ehemaligen Hausbesitzer bekannt. Anhand von Adressbüchern und Bauplänen lässt sich jedoch die Entwicklung der Stuhlrohr-Fabrik Fritz Heyn & Co. gut verfolgen. Durch die Auswertung verschiedener Quellen eröffnet sich dem Besucher eine kleine Kulturgeschichte des Lebens zur Jahrhundertwende: Es war die Zeit, in der Frauen ihre Taillen mit Korsetts einschnürten, Herren mit Gerte oder Spazierstock Eindruck schinden wollten und Kindern mit dem Rohrstock die Leviten gelesen wurde. Für all dies brauchte man Spanisches Rohr, wie damals das biegsame Holz der Rotan-Palme hieß. Mehr und mehr kamen aber auch Korbmöbel in Mode, obwohl noch 1896 ein Meister zur Berliner Gewerbeausstellung klagte, dass die Korbarbeit von den Käufern wenig gewürdigt werde. Heyn war bei dem Ereignis dabei, das eigentlich eine Weltausstellung werden sollte und den Berlinern die Gestaltung des Treptower Parks brachte. Mehr als zehn Jahre zuvor war hinter Heyns Namen erstmals der Zusatz Rohr- und Rindenbasthandlung aufgetaucht, was auf die Verarbeitung nicht nur exotischer Materialien schließen lässt. Aber die im malaiischen Archipel wachsende Kletterpalme Calamus Rotang war an Flexibilität heimischen Weidenruten überlegen und ließ sich zudem in feines Peddigrohr schneiden. Viele Werkzeuge sind für die Verarbeitung des Holzes notwendig und werden noch heute in Familienbetrieben benutzt. Warum aber gerade Deutschland und die USA die größten Abnehmer des Rohstoffs gewesen sein sollen, erklärt die Schau nicht. Hier entpuppt sich der Ausstellungstitel als Etikettenschwindel. Denn keineswegs wird anhand des Flechtmaterials das große kolonialpolitische Geflecht aufgezeigt. Ob das malaysische Malakka lediglich als Synonym für die südostasiatische Inselwelt steht oder die damals britisch besetzte Hafenstadt wirklich noch eine große Bedeutung beim Warenumschlag spielte, bleibt ebenfalls offen. Das ist schade, denn der Mangel an Material seit 1915 hatte sicherlich im Boykott des Kriegsgegners Deutschland durch Großbritannien seine Ursache. Letztlich dürfte das auch den plötzlichen Niedergang der einst prosperierenden Stuhlrohr-Fabrik Fritz Heyn bewirkt haben, die nach dem Tod ihres Inhabers 1928 nur n...

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