Werbung

Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

Gesund wohnen im Lehm-Haus In Rheinsberg wird eine alte Tradition belebt Von Günter Queißer

  • Lesedauer: 4 Min.

In die Landschaft schmiegt sich einer der Prototypen des Baustils - das Lehmhaus des Architekten Minke in Kassel

Foto: Oikos

Am Stadtrand von Rheinsberg (Brandenburg) entsteht auf einer Fläche von 20 000 Quadratmetern eine Siedlung mit 50 Wohnungen - im Lehmbau. Eine alte Tradition soll wieder belebt werden.

Schon der Name der Siedlung »01-KOS« - Umwelt - deutet den Unterschied zum konventionellen Bauen an. Lehm ist ein umweltfreundlicher Baustoff und überall in der Welt verfügbar. Und er ist preiswert. Die Häuser im nördlichen Teil der Siedlung werden mit Gründächern ausgestattet. Das bringt im Winter zusätzliche Wärme und im Sommer Kühlung. Außerdem wird so Regenwasser gespeichert.

Seit 1993 befaßt sich die kleine Rheinsberger Firma Naturhaus mit dem Bau von Lehmhäusern. Sie kann sich auf das neuartige Baukastensystem ResiClay stützen, von dem man meint, es könne den Lehmbau revolutionieren. Es handelt sich um Platten, 50 Zentimeter im Quadrat und vier bis acht Zentimeter stark. Der Erfinder Dr Ulrich Barthel: »Der eigentliche Vorteil unserer Platte ist, daß sie sich sehr stark an den Normen des Bauwesens orientiert und diese erfüllt, was beispielsweise die Wasserfestigkeit, die Frost-Tau-Sicherheit und die Statik betrifft. Das Gewicht wird dadurch verringert, daß Hohlkammern in den Platten erzeugt werden. Im Gegensatz zu herkömmlichen Leichtlehmplatten lassen sie sich völlig wetterunabhängig verarbeiten.« Sie eignen sich für Fußböden und Decken, nichttragende Wände, für Innenund Außenverkleidungen.

Der Rheinsberger Lehrer Kay Lesniak, der seit'zwei Jahren mit seiner Familie imy3ine»i, modernen*iLehmhaus' wojhat,hebt die Vorzüge beim Bauen hervor: Man kann ohne große Vorkenntnisse viel

selbst machen. Falls etwas nicht so gelingt, macht man den Lehm naß und probiert es von vorn. Er hat die Außen- und Innenwände selbst gemauert und geputzt. Es sei kein Haus für Leute, die auf ganz exakte Linien aus sind. Aber gerade dadurch bleibt seine Natürlichkeit erhalten. Es ist ein Haus zum Wohlfühlen. »Wir haben das Gefühl, wir werden hier seltener krank«, meint der Lehrer. Lehmforscher in Glienicke und Großbeeren untersuchen jetzt die klimatischen Phänomene des Lehms und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit. Das System findet bereits internationales Interesse. Wenn es in der Rheinsberger Lehmsiedlung seine Feuertaufe besteht, könnte es, so hofft man, ein Exportschlager werden. Es gibt schon Überlegungen, auch das Expo-Projekt Scheunenviertel in Kremmen sowie

Bauvorhaben in Netzeband und Neuruppin in Lehmbauweise auszuführen.

Die beiden Architekten der Siedlung OIKOS, Professor Dr Ing. Gernot Mike aus Kassel und Michael Nothhelfer aus Baden-Württemberg, wollen Maßstäbe setzen für den Wohnbau des nächsten Jahrtausends. Prof. Minke, der selbst in einem Lehmbau wohnt, gilt als Experte auf dem Gebiet des ökologischen Bauens, speziell des Lehmbaus. Sein Lehmbau-Handbuch erhielt 1994 den Preis der Deutschen Umweltstiftung. Insider sprechen von der Lehmbau-Bibel. Architekt Nothhelfer widmet sich fast ausschließlich dem ökologischen Bauen mit Holz und Lehm und baute unter anderem in Altenhof am Werbellinsee, Rheinsberg und Zeh'denick. Mit OIKOS sowie einem internationalen Hilfsprojekt für Straßenkinder in Peru beteiligt sich der Architekt erstmals am ökologischen Siedlungsbau.

Die Wohnungsgröße in der OIKOS-Siedlung soll zwischen 70 und 180 Quadratmetern variieren, den Ansprüchen von Singles und älteren Paaren wie auch junger Familien genügen. Als Käufer erwartet man Kunden aus Berlin und aus anderen Bundesländern. Die Ein- und Mehrfamilienhäuser werden nicht billi-

ger, aber auch nicht teurer als andere sein. Man schätzt je nach Ausstattungsgrad zwischen 2000 und 2600 Mark pro Quadratmeter.

Das Projekt OIKOS ist in eine Vielzahl von Projekten zur Energieeinsparung und zum Klimaschutz der Stadt Rheinsberg eingebunden, die sich ja als »Brundtland-Stadt« versteht und schon 1995 ihr Ziel erreichte, die C0 2 -Emissionen zu halbieren. Nun soll mit der Lehmhaussiedlung die Energiebilanz weiter verbessert und noch nachhaltiger gewirtschaftet werden. Dazu tragen die speziellen Dämmstoffe und die Nutzung der passiven Sonnenenergie bei. Aber auch der Transportaufwand wird minimiert, da die Baustoffe aus der Region kommen. Alle Häuser erhalten ihre Energie aus dem modernen B lockheizkr aftwerk.

Das Wohnbauprojekt OIKOS gehört zu den Vorhaben, die der Initiativkreis Nord-West-Brandenburg zur Expo 2000 vorstellt. Der Initiativkreis, dem sechs Kommunen und Ämter angehören, hatte sich einst 1995 gebildet, um die Eisenbahnlinie zwischen Berlin und der Region - den »Prignitzexpress« wieder herzustellen. Nun will er die nachhaltige Regionalentwicklung fördern.

Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen

Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.