Listen-Wochenende bei der Linkspartei

Acht Landesparteitage entscheiden über Kandidaten / WASG bisher trotz Streits »zufrieden«

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Wochendende will die Linkspartei auf insgesamt acht Landesparteitagen über ihre Kandidaten für die Neuwahlen im Herbst entscheiden. Dabei könnte es erneut Streit um die Plätze für die Wahlalternative geben. Insgesamt aber zeigt sich die WASG über das bislang Erreichte zufrieden.
Johann Hahlen ist Bundeswahlleiter und so etwas wie das unabhängige Gewissen des Wahlrechts. Bei Linkspartei und WASG hat ein jüngst erschienenes Interview des Juristen jedoch Zweifel an dessen Unabhängigkeit hinterlassen. Hahlen hatte erklärt, eine Ablehnung der Landeslisten der Linkspartei sei »durchaus möglich«. Es werde in jedem Bundeslang geprüft, ob sich hinter der Kandidatenreihe eine unerlaubte Verbindungen von Parteien verberge. PDS-Frontmann Gregor Gysi wurde angesichts der ungewöhnlichen Erklärung Hahlens mitten im Wahlkampf »schon ein bisschen stutzig« und WASG-Vorstand Murat Cakir ärgerte sich gegenüber ND, Beamte sollten »nicht mit dem Parteibuch denken«. Hahlen war früher Mitarbeiter der Unionsfraktion im Bundestag. Seine in den Medien als »Drohung« gegenüber der Linkspartei verbreitete Äußerung hatte auch Hessens WASG-Sprecher Hermann Schaus »gewundert«. In Hessen steht am Wochenende wie in sieben weiteren Bundesländern die Wahl der PDS-Landeslisten auf dem Programm - und damit auch wieder die Frage, wie viel WASG-Kandidaten den Sprung auf vordere Plätze schaffen. Die WASG hat bereits aussichtsreiche Listenplätze sicher. In Bayern, Baden-Württemberg und dem Saarland stellt der Kooperationspartner mit Klaus Ernst, Ulrich Maurer und Volker Schneider jeweils einen Spitzenplatz. In Sachsen und Rheinland-Pfalz kandidieren die WASG-Vorstände Axel Troost und Alexander Ulrich auf Listenplatz 2; in Niedersachsen besetzten Wahlalternative-Kandidaten die Plätze 3 und 4 und in Sachsen-Anhalt sowie Bayern fünfte bis sechste Plätze. Wahlalternative-Vorstand Murat Cakir zeigte sich gegenüber ND gestern »zufrieden«. Zwar hätte »vieles besser klappen können«. Doch unter dem Strich stehe trotz mancher verständlicher Verärgerung auf WASG-Seite nun einmal fest: »Die Listenwahlen sind souveräne Entscheidungen der Landesverbände der Linkspartei.« Am kommenden Wochenende könnte das eine oder andere Votum der Genossen noch einmal für Frust bei der Wahlalternative sorgen. In Hamburg lehnt die WASG den von den Sozialisten für die Spitzenkandidatur vorgesehenen PDS-Landessprecher Yavuz Fersoglu ab. Eine Zeitung hatte WASG-Vorstand Joachim Bischoff gar mit der Drohung zitiert, die Unterstützung für die Linkspartei-Landesliste zurückzuziehen, sollte Fersoglu auf Platz 1 gewählt werden. Nun hoffen die Sozialisten, mit dem emeritierten Rechtsprofessor Norman Paech einen Ersatzkandidaten gefunden zu haben. Am Freitag soll in einem Gespräch die Entscheidung fallen. Sollte Paech ablehnen, würde sich wiederum Fersoglu um Platz 1 der Landesliste bewerben. Doch der 38-jährige gilt bei der WASG als nicht aussichtsreich genug, um den für ein Bundestagsmandat nötigen Stimmenanteil einzufahren. Zudem haben sich die Hamburger Medien auf Fersoglu eingeschossen, weil der Kontakte zur autonomen Szene habe und eine »schillernde Größe« an der Schnittstelle zu den Nachfolgeorganisationen der PKK sei, wie Hamburgs Verfassungsschutzchef Manfred Murck betont. Cakir hofft in dieser Kandidatenfrage auf das Fingerspitzengefühl der Hanseaten, schließlich gehe es nicht um Personen, sondern um die Sache. In Nordrhein-Westfalen dürfte die Kür des Spitzenkandidaten dagegen ohne Probleme über die Bühne gehen. Dort soll sich WASG-Mitglied Oskar Lafontaine vor den Genossen einreihen. In Bremen will die Wahlalternative Landesvorstandsmitglied Antonia Brinkmann vorschlagen, in Hessen soll Landesvorstand Werner Dreibus ins Rennen um den Linksparteilistenplatz 2 geschickt werden. Nach den Vorschlägen der PDS-Landesvorstände sollen WASG-Kandidaten auch in Brandenburg (6) und Mecklenburg-Vorpommern (5) auf vordere Listenplätze kommen. In Thüringen findet sich auf den ersten sechs Listenplätzen kein WASG-Vorschlag. In Schleswig-Holstein soll ein zuvor verschobener Landesparteitag an diesem Wochenende stattfinden. Eine Woche später könnte es dann noch einmal interessant werden. In Berlin wehrt sich die WASG gegen den von der PDS vorgeschlagenen Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde Deutschlands Hakki Keskin. Die PDS will jedoch an ihrem Vorschlag festhalten, obwohl die WASG Ambitionen auf den in Frage kommenden Listenplatz 4 angemeldet hat. PDS-Landessprecher Axel Hildebrandt sagte, er gehe davon aus, dass Keskin sich um den Listenplatz bewirbt. In diesem Fall wäre wohl mit einer Kampfkandidatur aus den Reihen der WASG zu rechnen.
App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal