Der unabhängige Hans Meyer

Mönchengladbachs Trainer und sein Ruf / Dem Coach des Bundesliga-Aufsteigers können auch Niederlagen nichts anhaben

  • Martin Krauß
  • Lesedauer: ca. 3.5 Min.
Hans Meyer sieht gar nicht aus wie ein Bundesligatrainer. So einer hat entweder einen feinen Klubanzug zu tragen oder grellbunte Trainingskleidung. Hans Meyer aber schaute sich die 0:3-Niederlage seines Vereins Borussia Mönchengladbach am Sonntag im Olympiastadion gegen Hertha BSC im dunkelgrünen Tweedpullover an. Vor dem Bauch baumelte eine um den Hals hängende Lesebrille. Universitätsprofessoren sehen so aus, aber keine Bundesligatrainer. In der letzten Woche hatte der 59-jährige Meyer seinen Vertrag doch bis 2004 verlängert, was bei einem wie Meyer auch nicht so ablief wie bei den meisten seiner Kollegen: Meyer wollte am Ende der kommenden Saison aufhören, um in Rente zu gehen. Die Familie müsse endlich Vorrang haben, verkündete er. Er wolle sich am liebsten im hessischen Bad Hersfeld, wo die Familie Meyer ein Haus gekauft hat, niederlassen. Und außerdem wolle er sich mal in Ruhe an der Hüfte operieren lassen. Rentnerpläne halt. Aber das Präsidium von Borussia Mönchengladbach hat den 1942 in Briesen (Tschechoslowakei) geborenen Meyer noch mal überredet. Sportlich ist man am Niederrhein mit ihm zufrieden, und den Humor des Trainers, der »fast Kultstatus« besitzt, so ein Fanzine, mag man hier auch. Nach der 0:3-Schlappe in Berlin steuerte Meyer seinen ganz besonderen Beitrag zum Hertha-Thema der letzten Wochen, Sebastian Deisler, bei. »Ihr habt uns den doch für nen Nasenpopel weggeholt«, sagte er und lächelte dabei. »Aber eigentlich könnt ihr ihn uns doch zurückgeben. Seit er verletzt ist, gewinnt ihr doch.« Meyer war knapp 28, da begann er 1970 als Assistent von Georg Buschner beim FC Carl Zeiss Jena seine Trainer-Karriere. Kurze Zeit später war er Cheftrainer und blieb es 12 Jahre. Dann ging er zum FC Rot-Weiß Erfurt, danach zum FC Karl-Marx-Stadt, dessen Umwandlung in den Chemnitzer FC er miterlebte, und schließlich wieder zurück nach Jena. In der Bundesliga wollte ihn anfänglich keiner haben, obwohl er in der DDR keine kleinen Erfolge hatte: fünf Mal war er mit Jena Vizemeister, drei Mal Pokalsieger, und 1981 erreichte er gar das Finale im Europacup der Pokalsieger. Aber damit jemand in Westdeutschland merkt, welch ein guter Trainer der »Ossi« ist, dazu brauchte es schon den Umweg übers Ausland. 1996 heuerte Meyer bei Twente Enschede in den Niederlanden an. »Die waren im Wesen anders als deutsche Kicker, viel lockerer«, berichtete er später. »Davon konnte ich viel lernen.« Mit kleinem Etat führte er Twente zwei Mal hintereinander auf Platz drei der Meisterschaft und damit in den UEFA-Cup. Das bemerkte man in Mönchengladbach, wo die Niederlande näher liegen, eher als andernorts. Doch auch beim damaligen Zweitbundesligisten mussten erst Trainer wie Joachim Löw, Klaus Augenthaler, Horst Ehrmanntraut, Aleksandar Ristic, Felix Magath oder Rene Vandereycken absagen, ehe Meyer kam. Am 7. September 1999 fing er in Gladbach an. Gerüchte bei den Spielern, dass Meyer ein harter Hund sei - schließlich kam er ja aus dem Osten, hatte dort gar Geschichte und Sport auf Diplom studiert -, bestätigten sich nicht. Die Arbeit mit dem Fachmann gestaltete sich auch für die Profis gut. Ehrfurcht vor dem fünfmaligen deutschen Meister hatte Meyer auch nicht. »Kleff, Vogts, Wimmer, Netzer, Heynckes, alles gut und schön«, verriet er. »Aber deshalb stehe ich fast ein Vierteljahrhundert danach nicht mehr stramm. Das war. Ich übernahm hier vor zwei Jahren einen Scherbenhaufen. Der Meister von damals war zur Schießbude der Nation verkommen.« Meyer führte die Gladbacher aus der Abstiegszone raus und im letzten Sommer zurück in die 1. Bundesliga, wo er noch nie als Trainer gearbeitet hatte. Angst hatte er davor auch nicht. »Früher haben wir Westfernsehen geguckt und waren manchmal baff. Aber in der Sportschau sahen wir Zusammenschnitte. Die verzerrten oft die Leistungswirklichkeit«, vertraute er später in einem Interview Heinz-Florian Oertel an. »Dann fuhren wir mit Jena zum Betzenberg und besiegten Kaiserslautern. Ich will sagen: Alles relativiert sich. Schein und Sein sowieso. Wir hatten mit Jena 30 Europacupspiele. Benfica Lissabon, AS Rom, Valencia mit Kempes und Bonhof wurden eliminiert. Wir standen 1981 im Europacupfinale, verloren in Düsseldorf gegen Tiflis mit 1:2, nur weil wir uns dumm verhielten. Warum soll ich mir da in die Hosen machen, wenn es gegen Bayern München geht?« Als Meyer am vergangenen Sonnabend seinen 59. Geburtstag beging - eigentlich hatte er ja damit sein letztes Berufsjahr einleiten wollen -, schenkte ihm die Mannschaft zwei Theaterkarten. Andere Mannschaften schenken ihren Trainern ein Kicker-Abo oder eine Flasche Wein. Aber auch die Spieler von Borussia Mönchengladbach sind der Meinung, dass Han...

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