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- Reportage - Zypern
Die Wiedergeburt des Dorfes der Rosen
Der kleine Ort Agros im gebirgigen Herzen Zyperns drohte auszusterben
Den Reiz Zyperns glauben Reisende meist an den Stränden zu finden, mit sauberstem Mittelmeerwasser, Palmenalleen, Oleanderhecken und antiken Ausgrabungen. Aber auch das Troodos-Gebirge im Herzen der Insel hat seine Schätze.
Die Zyprer selbst wissen besonders während heißer Sommermonate die kühle, reine Luft im Troodos-Gebirge zu schätzen. Inzwischen erkennen das mehr und mehr Fremde. Das hat eine eigene, nicht ganz alltägliche Geschichte. Aus Agros, einem um 1790 an Gebirgshängen entstandenen Dorf, wanderte um die Mitte des vorigen Jahrhunderts die Mehrzahl der Einwohner ab. Sie zogen in die Städte oder übers Meer in fremde Länder. Ertragreicher Boden und traditionelles Handwerk ernährten die Leute nicht mehr. Den Jungen fehlte eine Perspektive. Von 3000 Einwohnern blieben 500: In der Schule lernten noch 50 Kinder, Post- und Bankfiliale sollten schließen, das Krankenhaus stand auf der Kippe. Da beschlossen zehn unternehmungslustige Leute, endlich zu handeln: »Agros darf nicht aussterben. Sein Klima und die schöne Lage sind unser Kapital. Nutzen wir es.« Sie setzten auf Tourismus und mobilisierten die Dorfbewohner, einer Aktiengesellschaft beizutreten, ja, eine solche Gesellschaft überhaupt erst zu ermöglichen, denn der Einsatz sollte der eigene Grund und Boden sein. Vernunft, Heimatliebe und das Wissen um die Verantwortung siegten. Bis 1976 fand sich Agros in einer Aktiengesellschaft vereint. Als man bei der Regierung anklopfte und bat, das Vorhaben finanziell zu unterstützen, hieß es allerdings: »Seid ihr verrückt? Was glaubt ihr, wer zu euch in die Wildnis kommt? Zieht doch in die Stadt!« Die Leute in Agros aber erklärten: »Wir bleiben hier«, und standen mit ebenso beschrifteten Plakaten vollzählig auf der Straße, wenn - etwa vor Wahlen - Abgeordnete im Dorf erschienen. Inzwischen hatte eine mutige Bank einen kleinen Kredit gewährt. Und hoch oben auf ehemaligem Weideland entstand der erste Block des »Rodon Mount Hotel« mit vorerst 31 Zimmern. Und - die Gäste kamen, brachten Leben ins Dorf und den ersten Gewinn. Nicht nur das Hotel wuchs. Heute beschäftigt es 60, in der Saison sogar 80 Mitarbeiter. Bis zu 400 Gäste kommen zur Erholung oder zu Studienzwecken, wie jüngst eine Gruppe Geologie-Studenten aus Übersee. Die Küche verarbeite in erster Linie das, was im Dorf geerntet und produziert wird, berichtet Direktor Lefkos Christodoulou, der einst nach Australien ausgewandert war. Auch das Handwerk hat in Agros wieder goldenen Boden. Chris Tsolakis, gleichfalls heimgekehrt aus Australien, brachte den 1919 vom Vater gegründeten rosenverarbeitenden Betrieb, der ebenfalls einzugehen drohte, zu neuer Blüte. Die Damaskus-Rose gedeiht hier an den sonnigen Hängen ohne jegliche Pflege. Sie wurde nun freilich auch auf den Feldern angebaut. Die Blütenblätter ergeben nach einem Destillationsprozess Rosenwasser, -öl, -likör oder -brandy. Das Produkt wird auf der gesamten Insel vertrieben und auch exportiert. Düfte anderer Art ziehen wenige Häuser weiter in die Nase. Nach alten Rezepten räuchert Familie Kafkalia Schinken und Schweinslenden. Einheimische Kräuter und einheimischer Rotwein würzen diese Spezialitäten, von denen man im Laden kosten kann. Bei Nikki kann man kandierte Früchte kaufen. Walnüsse, Mandeln und was sonst noch im Umland gedeiht, wird nach einem Sirupbad zur Leckerei. Aus einer Probierküche ist ein dreistöckiger Produktionsbetrieb geworden, mit wachsender Mitarbeiterzahl. Es gibt wieder Arbeit in Agros. Aus ihren Gewinnen baute die Gesellschaft den Alten im Dorf ein Haus, ein lichtdurchflutetes Altenheim. Für den Aufenthalt darin braucht keiner auch nur einen Cent zu zahlen! Über die Grenzen von Agros hinaus wirkt auch ein hochmodernes Sportzentrum, in dem 35 Sportarten trainiert werden können. Zyperns Athleten bereiten sich darin auf internationale Wettkämpfe vor. Menschliche Wärme schlägt dem entgegen, der sich in diesem Dorf umsieht: Man spürt die Gemeinschaft, den Zusammenhalt. Nach einer Bergwanderung machen wir Rast in einer kleinen Taverne - und werden von Einheimischen am Nebentisch spontan zu griechischem Kaffee eingeladen. Das sei hier so Sitte! »Wir lieben unsere Gäste«, sagen d...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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