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Schwarzes Schaf will Erinnerungsort, keine Rituale

  • Lesedauer: 3 Min.

Daß es von Immobilienspekulanten noch nicht entdeckt wurde, wirkt seltsam anachronistisch, liegt es doch geradezu im Schatten des Glaspalastes der Industrieund Handelskammer Für Hartmut Topf, der die Erbansprüche seiner Familie als »Posse« und moralisch verfehlt zurückgewiesen hatte, ein Glücksfall: Als Mitinitiator eines Projektes des Europäischen Kulturzentrums mit dem Titel »Topf und Söhne Holocaust und Moderne« will er hier einen Erinnerungsort für die Opfer des Lagerterrors schaffen.

Unabhängig von Hartmut Topfs Veto setzte der Einigungsvertrag den Rückübertragungsansprüchen ein Ende. Dennoch war Topf nun als schwarzes Schaf der Familie gebrandmarkt. Davon unberührt, tat er sich mit der Heinrich-Böll-Stiftung und dem DGB-Bildungswerk zusammen, um die Aufarbeitung der Firmengeschichte, die auch eine Geschichte des ganz alltäglichen Holocausts ist, voranzutreiben. Und die Widersprüche häuften sich: Da war zum Beispiel jener Brief von Ludwig Topf, einem der Firmeninhaber in der Nazizeit, von 1939, in dem er sich recht unzweideutig zu den Machthabern im Dritten Reich äußert. Er schreibt von einer Zwingherrschaft, von widerlicher Selbstbeweihräucherung, dem Gesinnungsterror einer Clique und ruft schließlich »für Frieden, Freiheit und Recht« zum Bekenntnis zu einer »Deutschen Freiheitspartei« auf. Hartmut Topf weiß, daß sich der mit dem Schriftsteller Erich Kästner befreundete Ludwig nach Ende des Krieges mißverstanden fühlte. Aus Furcht vor Repressalien der neuen Machthaber nahm er sich in der Nacht vom 30. auf den 31. Mai 1945 das Leben. »An seine Unschuld und die des Bruders

Foto: Jörg Völkerling

Ernst-Wolfgang glaubte er bis zum Schluß«, sagt Hartmut Topf heute.

Schwierig das Geflecht von Verstrikkung und Distanz, kurz Schuld genannt. Wie soll der Nachfahre neueste Hinweise deuten, daß eben dieser Ernst-Wolfgang Topf eine Gruppe kommunistischer Widerständler in seinem Betrieb deckte? Und doch gleichzeitig der Vernichtungsmaschinerie zur Hand ging? »Wurden die Brüder von der SS erpreßt?« Auf einer Tagung der Mahnmal-Initiative im Februar unter dem Dach der Evangelischen Akademie Neudietendorf konnte der Berliner Wirtschaftshistoriker Christian Gerlach dafür jedenfalls keine Anhaltspunkte erkennen. ''““' “'' ....... “'“

Der Historiker Eckhard Schwarzenberger, dem die Aufarbeitung der Geschichte von »Topf & Söhne« im Rahmen eines ABM-Projektes übertragen wurde, spricht von der »unangenehmen und folgenreichen Erkenntnis, daß der Holocaust keineswegs einen Zivilisationsbruch darstellt«. Wie zur Bestätigung dessen zeigen Unterlagen, die der französische Historiker Jean-Claude Pressac in seinem Buch »Die Krematorien von Auschwitz« veröffentlichte, daß Chefin-

genieur Kurt Prüfer sogar noch Vorschläge zur Optimierung der Verbrennungsöfen machte. So überlegte er, wie man die bei der Verbrennung entstehende Abluft in die Gaskammern umleiten kann, um weitere Menschen zu vernichten. Die Umsetzung erfolgte prompt. Anknüpfungspunkte für ein Mahnmal gäbe es viele. Julika Bürgin vom DGB-Bildungswerk hat die ersten konkreten Vorschläge zur Gestaltung eines solchen Ortes bereits in der Schublade.

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