Getaufter Kraftstoff für Tanktouristen

In Polen wird oft minderwertiger Sprit verkauft. Dieser kommt zum Teil aus Westeuropa

  • Anna Sprycha, Zielona Gora
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.

Jede fünfte Tankstelle in Polen verkauft gepanschten Treibstoff. Besonders schlecht ist der Sprit an der Grenze zu Deutschland.

Mal eben rüber nach Polen zum Tanken. Viele deutsche Autofahrer in der Grenzregion machen das. Sie sollten es sich in Zukunft aber zwei Mal überlegen: Im Schnitt verkauft jede fünfte Tankstelle in Polen gepanschten Treibstoff. Besonders schlecht ist der Sprit in der polnischen Region Lubuskie an der Grenze zu Deutschland. Dort fiel sogar jede dritte Tankstelle bei Kontrollen negativ auf. Dieses für polnische Autofahrer wenig überraschende Ergebnis ergab eine Studie des Verbraucherschutzamtes. Zwischen Januar und Ende Juni 2005 ließ die Behörde landesweit 1000 Tankstellen überprüfen. Den Negativrekord erzielte dabei eine Station in der Region Poznan, die Autofahrern Benzin mit 95 Prozent Wasseranteil verkaufte. »Das Auto verlor an Motorstärke, reagierte kaum auf die Bedienung des Gaspedals. Und der Motor blieb bei niedrigen Drehzahlen einfach stehen«, klagt Andrzej Grzyb. »Ich musste den Tank auspumpen lassen.« Der 42-jährige Toyota-Fahrer hatte vermutlich bei einer der elf Tankstellen getankt, die allein in der Region Lubuskie als Spritpanscher auffielen. Von den Kontrollen lassen sich die Tankwarte offenbar wenig beeindrucken: Bei 40 Prozent der beanstandeten Tankstellen wurde bei einer zweiten Überprüfung wieder verunreinigter Sprit gefunden. »Staatsanwaltschaft und Gerichte begünstigen solche Praktiken«, meint Cezary Banasinski, Präsident des polnischen Verbraucherschutzamtes. Die meisten Ermittlungen würden oft eingestellt, weil den Betreibern keine Schuld nachgewiesen werden könne. Sie legten Rechnungen vor, nach denen sie nur geprüften Kraftstoff verkauften. Auch der Lieferant lehne jede Verantwortung ab, erläutert Banasinski. Und auch bei einer Verurteilung bezahlten Tankstellenbesitzer höchstens eine Geldstrafe von 6000 Zloty (1500 Euro), obwohl das Strafgesetzbuch eine Strafe von bis zu fünf Jahren Haft und Geldstrafen bis zu eine Million Zloty vorsieht. Bei den Kontrollen der Verbraucherschützer flog unter anderem die Car-Tech-Impex-Tankstelle in Leknica, nahe des Grenzübergangs Bad Muskau auf. Hier entsprach der Diesel nicht der DIN-Norm. Der Besitzer will sich nicht dazu äußern. Dafür gibt ein anderer Tankstellenpächter, der anonym bleiben möchte, Auskunft: In Südwestpolen gebe es die niedrigsten Benzinpreise im Lande. Man sei wegen des Preisdrucks gezwungen, unseriöse Lieferanten zu suchen, zumal renommierte Hersteller wie der Konzern Orlen seinen Kraftstoff über dem durchschnittlichen Tagespreis an Tankstellen verkauft. Oft gelangt der billige Kraftstoff illegal ins Land. »Wir haben an der deutsch-polnischen Grenze zuletzt 14 Tankwagen mit illegalem Kraftstoff angehalten«, erzählt Zollamtssprecherin Mariola Karakiewicz aus Rzepin nahe Frankfurt (Oder). »Die Fahrer konnten weder die erforderlichen Dokumente vorweisen, noch war der Kraftstoff versteuert. Der Sprit kam höchstwahrscheinlich aus europäischen, strategischen Reserven.« Solche Reserven legt jedes Land und jede Raffinerie aus Sicherheitsgründen an, zum Beispiel für den Kriegsfall. Es ist meist Sprit von minderer Qualität, der für Panzer oder Lkw ausreiche. Da der Kraftstoff in den Tanks von Zeit zu Zeit ausgetauscht werden müsse, kämen diese Reserven zu günstigen Preisen auf den Markt. Daneben gibt es viele Möglichkeiten, Kraftstoff zu panschen. Die populärste Methode ist Verdünnung mit Wasser. Deshalb wird minderwertiger Sprit in Polen augenzwinkernd »getaufter« Kraftstoff genannt. Verunreinigungen kann es aber auch beim Transport in unsauberen Tankwagen geben. Bei den jetzigen Kontrollen wurden meist zu niedrige Oktanzahlen oder ein zu hoher Schwefelgehalt beanstandet. Zu niedrige Oktanzahlen senken die Motorleistung, vor allem beim Start. Zu hoher Schwefelgehalt belastet Katalysator und Umwelt. »Man muss darauf achten, ob das Auto plötzlich mehr verbraucht und aus dem Auspuff Dampf herauskommt«, erklärt Wladyslaw Makosinski, Automechaniker aus Zielona Gora. Er empfiehlt, bei jedem Tanken den Tageskilometerzähler auf null zu stellen. Wenn man mit vollem Tank weniger Kilometer als sonst erreiche, solle man lieber die Tankstelle wechseln. Polnische Autofahrer haben längst Strategien entwickelt, um ihre Fahrzeuge zu schützen. Getankt wird nur an der Tankstelle des Vertrauens. Schnell spricht sich herum, wo man gefahrlos tanken kann. Dagegen fallen deutsche Tanktouristen immer wieder herein. Auch weil der Informationsaustausch noch immer nicht recht gelingt. Der Brandenburger Landesregierung liegen keine Ergebnisse der Un...

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