Krimi, den das Leben schrieb

Der Fall O. J. Simpson- eine Lektion über die USA

Dies ist nicht allein die »Anatomie eines Doppelmordes«. Nein, hier wird eine Justiz seziert, werden die Methoden ausgebuffter Strafverteidiger bis ins letzte Detail vorgeführt, die sträflichen Unterlassungssünden der Staatsanwälte offen gelegt, ein hilfloser, überforderter Richter dem Urteil des Lesers überantwortet. Es geht um einen authentischen Fall, der sich vor einem Jahrzehnt in den USA abgespielt hat, zwischen dem 12. Juni 1994 und dem 3. Oktober 1995. Hauptakteur war der in den Vereinigten Staaten berühmte Football-Star und Schauspieler Orenthal James Simpson. In der Nacht jenes 12. Juni waren in ihrem Wohnhaus in Los Angeles Simpsons Ex-Frau Nicole Brown-Simpson und deren Begleiter Ron Goldmann ermordet worden. Nicht schlechthin getötet. Sie wurden regelrecht abgeschlachtet. Durchschnittene Kehle, dutzende Messerstriche in den Leibern, so wurden die Opfer von der Polizei aufgefunden. Alle Spuren führten zu O. J. Simpson, der vom Tatort ganz offensichtlich in einem weißen Ford Bronco geflohen war. 474 Tage nach seiner Verhaftung, am Vormittag des 3. Oktober 1995, wurde das Urteil verkündet. Es wurde im Fernsehen übertragen, wie auch der gesamte Prozess, erstmalig in der nordamerikanischen Justizgeschichte, »live« zur Schau gestellt worden ist. 100 Millionen Nordamerikaner hatten die Arbeit niedergelegt, um dabei zu sein, als der Spruch der zwölf Geschworenen verkündet wurde: »Nicht schuldig des Verbrechens des Mordes«. Igor Petri, ein Rechtsanwalt aus Frankfurt (Main), hat eine Fülle von Veröffentlichungen über den Verlauf des Verfahrens im Staate Kalifornia gegen O. J. Simpson durchforstet, Dokumente jeglicher Art, Bücher, Artikel, Protokolle, Analysen. In mitunter minutiöser Abfolge, mit atemberaubender Präzision rekonstruierte er Tathergang und Ermittlungsarbeit. Tatsache ist: Die Ermittler haben Fehler über Fehler gemacht. Die federführende Staatsanwältin Marcia Clark, insgesamt waren fünfundzwanzig Staatsanwälte involviert, hat auf Grund zeitweilig mentaler Schwäche eindeutiges Beweismaterial gegen Simpson nicht in den Prozess eingeführt. Dennoch: Alle Indizienbeweise, Fluchtauto, Blutspuren, Handschuh, Schuhwerk, alles sprach gegen O. J. Simpson. Die Verteidigung aber spielte unverschämt die »Rassenkarte«, sie manipulierte die Geschworenen derart, dass es einem die Sprache verschlägt. Wer einen Krimi lesen will, den das Leben schrieb - dies ist das richtige Buch. Obendrein erhält man eine spannende Lektion über das Justizwesen in den USA. Dieser »Prozess des Jahrhunderts« war ein Fiasko ohnegleichen. O. J. Simpson entkam der Blutspur und er gibt, wie es heißt, noch immer Autogramme. Igor Petri: Anatomie eines Doppelmords. Der Fall O. J....

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