Mehr Mücken dank DDT
Britische Studie: Pestizidresistente Insekten sind fruchtbarer
Gute Absichten haben nicht selten ganz unerwartet negative Folgen. Das Pestizid DDT beispielsweise vernichtet die »Malariamücke« Anopheles, die sich jedoch mit einer Resistenz wehrt und damit vermutlich einen Überlebensvorteil erzielt: Sie steigert ihre Fruchtbarkeit.
1939 entdeckte der Schweizer Chemiker Paul Müller im Labor des Basler Pharmaunternehmens Geigy die insektizide Wirkung von Dichlor-Diphenyl-Trichlorethan - kurz DDT genannt - und erhielt dafür neun Jahre später den Nobelpreis. Namentlich in tropischen Regionen wurde durch den massiven Einsatz dieses Pestizids die Anopheles-Mücke soweit ausgerottet, dass auch die von ihr übertragene Malaria nahezu verschwand. Ein Beispiel: 1946 gab es in Ceylon (heute Sri Lanka) fast drei Millionen Malariafälle. 1963, im Jahr des höchsten Pestizidverbrauchs, waren es lediglich 17 Fälle.
Doch dieser Erfolg hatte seinen Preis: Das äußerst langlebige Insektengift verteilte sich weltweit über die Nahrungskette und reicherte sich im Boden ebenso an wie im tierischen und menschlichen Fettgewebe. In über 70 Ländern dürfen Pestizide deshalb heute in der Landwirtschaft nicht mehr eingesetzt werden. Zudem stellten Wissenschaftler bereits 1959 in Indien fest, dass zahlreiche Stämme der Anopheles gegen DDT resistent geworden waren. Die Insekten produzierten offenkundig einen Stoff, der das Gift unschädlich macht, so dass zahllose Mücken den Angriff mit der chemischen Keule überlebten.
Wie eine Gruppe von britischen Wissenschaftlern um Caroline McCart von der Universität Bath jetzt nachweisen konnte, wird die Pestizidresistenz bei Fruchtfliegen durch ein einziges Gen bewirkt, welches nur resistente Fliegen in ihrem Erbgut besitzen. Dieses Gen mit der Bezeichnung »Cyp6g1« sorgt für die Herstellung eines Proteins, das DDT in weniger toxische Stoffe spaltet. Auf diese Weise können Insekten höhere Dosen des Schädlingsbekämpfungsmittels vertragen.
Im Fachjournal »Current Biology« (Bd. 15, R 587-589) machen die Forscher auf einen weiteren wichtigen Unterschied zwischen pestizidresistenten und herkömmlichen Fliegen aufmerksam: Die resistenten Insekten legen drei Mal so viele Eier. Bislang galt unter Wissenschaftlern der Grundsatz, dass Mutationen, die zu Resistenzen führen, andere Gesundheitsfaktoren wie etwa die Fruchtbarkeit langfristig beeinträchtigen. Wir haben erstmals den Nachweis erbracht, sagt McCart, »dass es möglich ist, Resistenzen ohne andere Nachteile zu entwickeln«. Erstaunlicherweise wird die Widerstandsfähigkeit der Insekten gegen DDT nur über die mütterliche Linie vererbt - und bleibt auch dann erhalten, wenn lange Zeit gar kein Pestizideinsatz mehr stattgefunden hat. Die Forscher sind überzeugt, dass der genetische DDT-Schutz bei Fruchtfliegen im Wesentlichen nicht anders funktioniert als bei Anopheles-Mücken, wo die Bekämpfung von Resistenzen unmittelbar der Gesundheitsvorsorge dient.
Denn die Malaria ist in den tropischen Regionen der Erde noch immer weit verbreitet. Nicht wenige Mediziner halten es daher für bedenklich, bei der Bekämpfung der gefürchteten Krankheit völlig auf DDT zu verzichten. In Sri Lanka beispielsweise stieg die Zahl der Malariafälle nach dem Ende des Pestizideinsatzes gegen Anopheles innerhalb von fünf Jahren um 2,5 Millionen. Dort und in anderen Malariagebieten hoffen die Menschen a...
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