Spandau - Bezirk der Gegensätze

Alt-Gatow mit der besten Sozialstruktur, sozialer Brennpunkt Großsiedlung Falkenhagener Feld

  • Andreas Heinz
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.
»Jetzt sind Sie am Zug! Darum: Swen Schulz - SPD« fordert das Wahlplakat an der gläsernen Fassade des Bahnhofs Spandau auf. Gleich daneben wirbt die CDU mit einem Konterfei ihres Direktkandidaten Kai Wegner und dem Satz »Jetzt sind Sie am Zug« um Stimmen. Vor drei Jahren gewann der Sozialdemokrat im Wahlkreis 79 (Spandau - Charlottenburg Nord) mit über 44 Prozent das Direktmandat, Wegner kam auf 39 Prozent. Nun wird es zum erneuten Zweikampf zwischen dem 37-jährigem Schulz und dem fünf Jahre jüngeren Wegner kommen. Die Linkspartei.PDS tritt mit Jörg Kuhle an, die Bündnisgrünen mit Elisabeth Paus. Bei der Bundestagswahl kommt Charlottenburg Nord zum Spandauer Wahlkreis. Der Bezirk mit seinen rund 218 000 Einwohnern ist voller Gegensätze. Die Altstadt zwischen dem Fernbahnhof und der Zitadelle ist das Schmuckstück. Im Dezember wird hier Deutschlands flächenmäßig größter Weihnachtsmarkt aufgebaut. Die Gegend südlich der Heerstraße mit Gatow und Kladow sowie Hakenfelde/Radeland gilt als Top-Wohnlage. Im vorigen Jahr bescheinigte der Senat Alt-Gatow die beste Sozialstruktur Berlins. Aber auch soziale Brennpunkte entstanden, wie in den Großsiedlungen Falkenhagener Feld und Heerstraße-Nord. Ein Quartiersmanagement soll einem »Umkippen« der Wohngebiete entgegensteuern. Die Geschichte Spandaus begann bereits im 8. Jahrhundert. Damals errichtete der slawische Stamm der Heveller an der Stelle, wo Havel und Spree zusammenfließen, eine Befestigungsanlage. 1806 besetzten die Franzosen Spandau nach der Schlacht von Jena und Auerstedt. Napoleon zog ein und blieb zwei Jahre. 1920 wurde Spandau 8. Verwaltungsbezirk von Groß-Berlin. Mit Protesten setzten sich die Spandauer gegen die Eingemeindung zur Wehr. Sie wollten eine freie, selbstständige Stadtrepublik. Nach dem zweiten Weltkrieg gehörte Spandau zum britischen Sektor. 15 Prozent der 218 000 Spandauer sind unter 18 Jahre alt, 20 Prozent über 65 Jahre. Spandau - einst größter Industriebezirk Westberlins - hat auch zunehmend wirtschaftliche Sorgen. Etliche Betriebe schlossen oder verlagerten ihre Produktionsstätten. 20,2 Prozent der Erwerbsfähigen waren im August arbeitslos gemeldet. Der Ortsteil Siemensstadt entstand durch die Ansiedlung der Siemens AG auf den Nonnenwiesen. Das heutige Siemensstadt liegt zwischen dem Hohenzollernkanal im Norden, der Jungfernheide im Osten, der Spree im Süden und der Alten Spree im Westen. Neben Siemensstadt gehören die Ortsteile Hakenfelde, Falkenhagener Feld, Haselhorst, Staaken, Wilhelmstadt, Gatow, Kladow und der namensgebende Ortsteil zu Spandau. Seit 1995 ist der CDU-Mann Konrad Birkholz Bezirksbürgermeister. Dessen Parteikollege Kai Wegner tritt als Direktkandidat an. Sein Motto: »Was Bayern für Deutschland, ist Spandau für Berlin.« Wegner will zum Beispiel den Ausbildungsverbund mit Spandauer Betrieben ausbauen und von ihm so bezeichnete Investitionsbremsen wie das Industrieflächensicherungskonzept abschaffen. Die Grünverbindungen zum Havelufer und in die Großsiedlungen müssten weiter verbessert und die Fehlbelegungsabgabe abgeschafft werden, fordert er. Jörg Kuhle, Jahrgang 1944, kandidiert für die Linkspartei.PDS. Der gelernte Motorenschlosser, von 1970 bis 1990 Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Westberlin (SEW), zu seiner Nominierung: »Mein Geburtsort Schluckenau wurde von meiner Mutter gewählt, um den grausamen Bombenangriffen auf Berlin in den letzten Wochen der Schwangerschaft zu entgehen und unter relativ friedlichen Bedingungen in dieser Kleinstadt ihr Kind zur Welt bringen zu können. Das ist ein ganz wichtiger Grund, mich dafür einzusetzen, dass unsere Welt eine friedliche Welt wird.« Auch für die Lösung sozialer Probleme will der Vater einer Tochter eintreten. «Vor einiger Zeit noch habe ich im Traum nicht daran gedacht, dass ich eines Tages im Bundestag mit dem Namen "Schulz, Spandau< aufgerufen werde, denn eigentlich bin ich ja gar kein gebürtiger Spandauer, sondern stamme aus Hamburg«, erzählt Swen Schulz, mit 37 Jahren Berlins jüngster Bundestagsabgeordneter. Er will sich unter anderem für mehr Bürgernähe und gebührenfreie Kitas einsetzen. Lisa Paus, wirtschafts- und wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen, kämpft für den Erhalt des Universitätsklinikums Benjamin Franklin. Berlin als Zentrum für Biomedizin auszubauen schaffe Arbeitsplätze, setze aber eine funktionierende Wissenschaftslandschaft voraus. »Und die ist der Senat dabei auszutrocknen«, meint die 37-Jährige. Sie will Ökologie und Ökonomie verbinden. Lesen S...

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