»Wir sind nicht nur für die Reichen«
Schulen in freier Trägerschaft kämpfen gegen Vorurteile - Tag der Freien Schulen in Berlin
Mit einer Gala in den Kammerspielen des Deutschen Theaters und zahlreichen Veranstaltungen in einzelnen Einrichtungen präsentierten zum dritten Mal die Schulen in freier Trägerschaft in Berlin ihre Arbeit der Öffentlichkeit.
Paule Puhmanns Paddelboot stand auf der Bühne - der Kammerspielsaal des Deutschen Theaters war am vergangenen Sonntag gut gefüllt. Zweitklässler - als Griechen, Italiener, Türken oder Seeleute verkleidet - sangen in etlichen Sprachen und holten sich gegenseitig alle in das eine Schlauchboot. Sie präsentierten Weltöffentlichkeit und Vielfalt. Die Grundschüler der BIP-Kreativitätsschule bestritten den Auftakt zur Gala am Tag der Freien Schulen, bei der stellvertretend für die 60 privaten Bildungsstätten Gruppen von neun Berliner Schulen Einblicke in kreative Lehrinhalte gewährten. Mal als konkrete Poesie - lautmalerisch und szenisch von Waldorfschülern umgesetzt, mal als Gesang. Dann wieder als professionell vorgetanzte Choreografie, beispielsweise durch eine 17-Jährige von der Katholischen Theresienschule Berlin. Herausragende Talente finden sich auch unter den 70 Nationalitäten der Internationalen Schule Berlin, wie der Achtklässer Mariano Javier am Klavier bewies. Und angehende Erzieherinnen des Evangelischen Schulzentrum OberlinSeminar waren kamen als Bloody Maries aus dem Musical Chicago daher, um die Mordlüsternheit gedemütigter Frauen auf die Bühne zu bringen. Während Elftklässler des Evangelischen Grauen Klosters in Berlin mit Bällen oder langen Wollknäulen die Verwirrung herausfordernder Wortspiele symbolisierten. Eines war allen Darbietungen gemeinsam - das Motto des Tages: »Haben Sie Worte!« Ohne Fragezeichen also, stattdessen bewusst positiv und mehrdeutig. Ein Aufruf gegen die Sprachlosigkeit. Die Freien Schulen wollen herausfordern und aus den Negativschlagzeilen um kontinuierlich gekürzte Senatszuschüsse herauskommen. Trotz anhaltender Querelen über Finanzfragen hat der Berliner Bildungssenator Klaus Böger (SPD) erneut die Schirmherrschaft übernommen. Trotz finanzieller Einschnitte, die alle Schulen betreffen, begrüßt er in seinem Grußwort »ausdrücklich, dass sich das vielfältige und interessante Schulangebot in freier Trägerschaft weiterverfeinert«. Am Wahltag erschien er jedoch nicht bei den Freien. Bundeskanzler Schröder hatte tatsächlich mit seinem Intermezzo der vorgezogenen Neuwahlen am 18. September den Freien Schulen etwas die Show gestohlen. Dennoch war der Besucherandrang in Berlin groß. Denn obwohl die staatlich anerkannten Privatschulen so manchen ein Dorn im Auge sind, die den Staat als alleinig für Bildung zuständig wissen wollen, oder weil die Privatschulen andererseits den Ruf haben, nur für Gutbetuchte zugänglich zu sein, wächst die Nachfrage nach Plätzen und die Wartelisten werden länger. Dem Vorwurf, Bildung nur für Kinder von reichen Eltern anzubieten, treten die Vertreter der »Freien« massiv entgegen. So etwa Annaliese Kirchberg, Leiterin der Katholischen Theresienschule in Berlin-Weißensee: »Es gibt viele, die auch die 60 Euro pro Monat nicht zahlen, etwa Alleinerziehende oder Arbeitslose«. Und Andreas Wegener von der Kantschule bestätigt: »Alle Privatschulen haben ein System, Kinder aus sozial schwachen Familien aufzunehmen, auch wenn diese das sehr unterschiedliche Schulgeld nicht bezahlen können, das meist einkommensabhängig gestaffelt wird«. Mal sind es Stipendien, mal Preisnachlässe, sagt Wegener. Manche Schulen sprechen laut darüber, andere nicht. Denn schließlich bekämen die Schulen in freier Trägerschaft vom Berliner Senat nur Zuschüsse für rund 60 Prozent ihrer Gesamtkosten. Damit bestritten sie 93 Prozent der Personalkosten. Der Rest müsse selbst aufgebracht werden, erklärt Wegener, der den Tag der Freien Schulen mitorganisierte. Seit 1997 seien die finanziellen Mittel - auch unter Rot-Rot - kontinuierlich heruntergefahren worden. Aus diesem Kürzungsritual sei die Idee entstanden, massiv an die Öffentlichkeit zu gehen um auf die Vielfalt in der Bildungslandschaf hinzuweisen. Schließlich hätten die Mütter und Väter des Grundgesetzes betont, dass eine plurale, demokratische Gesellschaft davon lebt, dass sich Menschen zwischen Alternativen entscheiden können, erklärt Hans-Peter Richter, Dezernatsleiter für Schulen beim Erzbistum Berlin »Der Staat fühlt sich hierzulande etwas von unserer Arbeit bedroht, weil wir zeigen, dass wir besser und günstiger sind«, erklärt Friedrich Ohlendorf, Geschäftsführer der Rudolf Steiner Schule in Berlin. In anderen Ländern sei das Bild umgekehrt. So würden beispielsweise in den Niederlanden oder in Dänemark rund 70 Prozent der Schulen unter freier Trägerschaft arbeiten. »Hier leben wir von unserem Image, gute Schulen zu sein. Unsere Lehrer sind hoch motiviert, auch wenn sie rund 15 Prozent weniger verdienen als Lehrer an staatlichen Schulen.« Die Logik ist simpel. Die Lehrkräfte wissen, wenn viele Eltern wegen schlechter Leistungen ihre Kinder abmelden, ist ihr Job in Gefahr. Aber eigentlich wollten die Schulen ja nicht soviel über Geld reden, sondern ihre Arbeit präsentieren. Der Markt der Möglichkeiten in den Innenhöfen der Deutschen Bank, die diese samt Personal kostenlos zur Verfügung stellte, war eine kleine Messe, bei der in unterschiedlicher Qualität Materialien und Informationen dargeboten wurden. Bei der Wahl einer Privatschule ist der Leistungsvergleich genauso wichtig wie bei staatlichen Schulen, bei der Qualitätsunterschiede bekanntlich ebenso gravierend sind. Geld war bei den Jugendlichen, die das »interreligiöse Gebet der konfessionellen Schulen organisierten, kein Thema. Dafür das Motto des Jahrestages: »Haben Sie Worte!« Mit viel Musik, Assoziationsketten über Tiefgründiges und Lustiges der menschlichen Gefühlswelten zeigten die Lernenden der Evangelischen Schule Frohnau, des Jüdischen Gymnasiums und der Katholischen Theresienschule, ihre gedanklich kreative Vielfalt. Die 17-jährige Olivia Strauß aus Hohenschönhausen, die bei der Gala ihre eigene Choreografie tanzte, wechselte vor einigen Jahren von einer staatlichen Schule an die Theresienschule. »Es ist hier spannender, weil ich aus dem Bezirk herauskomme und jetzt Freunde in ganz Berlin habe. Auffällig bei den »konfessionellen« war eine eigene Fröhlichkeit. Und die Schulleiterin der Theresienschule bestätigt das freiwillige Engagement der Schüler, die auch an Sonntagen und Feiertagen sich treffen, um Theater- oder Musikaufführungen zu proben - und das trotz altsprachlichen und sicher nicht wenig anstrengenden Unterrichts in der Woche. Wermutstropfen für das multikulturelle Spektrum der Hauptstadt: Die islamischen Schulen fehlten - und das, obwohl das Jüdische Gymnasium ausdrücklich seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit erklärt habe, wie Evelyn Stewich von der Evangelischen Schule Frohnau berichtet. Beim dem nächsten Tag...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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