Lula gewinnt im Parlament

Der Kommunist Aldo Rebelo wird Präsident des Repräsentantenhauses

  • Gerhard Dilger, Porto Alegre
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.

Luiz Inácio Lula da Silva kann aufatmen. Mit der Wahl des kommunistischen Abgeordneten Aldo Rebelo zum Präsidenten des Repräsentantenhauses konnte Brasiliens Staatschef erstmals in diesem Jahr eine wichtige Parlamentsentscheidung zu seinen Gunsten herbeiführen. Rebelo setzte sich im zweiten Wahlgang mit 258 zu 243 Stimmen gegen den rechtsliberalen Kandidaten José Thomaz Nonô durch.

Die Wahl war erforderlich geworden, weil Rebelos konservativer Vorgänger Severino Cavalcanti wegen Korruptionsvorwürfen zurücktreten musste. Offenbar hatte der vom Betreiber des Parlamentsrestaurants regelmäßig Geld abgepresst. Cavalcanti war im Februar an die Spitze des Repräsentantenhauses gewählt worden, nachdem sich Lulas Arbeiterpartei PT auf keinen gemeinsamen Kandidaten hatte einigen können. Mit dem allseits respektierten Pragmatiker Rebelo an der Spitze wachsen auch die Chancen für die Handlungsfähigkeit der Regierung Lula. Die seit Mai anhaltende Korruptionsaffäre schien sie nämlich auch ihre Parlamentsmehrheit gekostet zu haben. Die entscheidenden Stimmen für Lulas Kandidaten kamen denn auch von den drei kleinen Rechtsparteien, die neben der PT im Zentrum des Skandals stehen. Lula hatte kräftig nachgeholfen, indem er Haushaltsgelder für seine Koalitionäre in den Ministerien und im Parlament freigeben ließ - eine vor wichtigen Abstimmungen gängige Praxis. Den Evangelikalen kam er mit dem Versprechen entgegen, die Abtreibung nicht zu entkriminalisieren. Zudem könnte die geplante politische Reform verwässert werden, durch die die Kleinparteien geschwächt werden sollten. Schließlich rechnen sich jene Abgeordnete, denen wegen des Empfangs von Schmiergeldern das Mandat verlieren könnte, unter Rebelo bessere Chancen aus. Der linke Rand allerdings bröckelt weiter. Jetzt verließen mehrere prominente Politiker die PT, darunter der Menschenrechtsaktivist Hélio Bicudo. Fünf Abgeordnete liefen zur PT-Abspaltung P-SOL (Partei für Sozialismus und Freiheit) über. »Die Regierung Lula ist eine verlorene Wette«, sagte Chico Alencar, einer von ihnen. An der Macht habe sich die Arbeiterpartei von jenen Werten verabschiedet, die sie einst groß gemacht hätten. Bei der Mitgliederabstimmung über den Parteipräsidenten hatte Alencar den Kandidaten Plínio de Arruda Sampaio unterstützt, der in der ersten Runde nur auf dem vierten Platz landete und nun ebenfalls der PT den Rücken kehrte. Die Partei habe sich dem Neoliberalismus ergeben, schrieb Sampaio zum Abschied. Heftig kritisierte er den parteiinternen Stimmenkauf in verschiedenen Bundesstaaten: So wurden ausstehende Mitgliedsbeiträge einfacher Aktivisten beglichen und diese zu Hunderten zu den Wahllokalen gekarrt. Andere wollen die Stichwahl am 9. Oktober abwarten. Sie wird zwischen dem Lula-treuen Exminister Ricardo Berzoini und dem profilierten Kommunalpolitiker Raul Pont aus Porto Alegre ausgefochten. Pont gilt jetzt als Hoffnungsträger der Parteilinken, die auch bei den Wahlen zum Präsidium Boden gut machen konnte. Die Stimmung an der Basis fasst er so zusammen: »Die meisten Mitglieder wollen Veränderungen, vor allem in der konservativen Wirtschaft...

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