Najibullah
Afghanische Spitzenpolitiker, ob Könige, bürgerliche Premiers oder linke Präsidenten, hatten im 20. Jahrhundert nur geringe Chancen, eines natürlichen Todes zu sterben. Dieses Schicksal traf auch Dr. Mohammad Najibullah, den letzten Präsidenten der Demokratischen Volkspartei Afghanistans. Der 1947 in Gardez geborene Paschtune schloss sich bereits als Medizinstudent an der Universität Kabul der DVPA an und machte nach seiner Promotion schnell Parteikarriere. Nach der Aprilrevolution 1978 wurde er jedoch als Botschafter nach Teheran abgeschoben. Der sowjetische Einmarsch 1979 bescherte Najibullah den Chefposten im neuen Geheimdienst Khad. 1986 beerbte der eloquente Politiker den farblosen Babrak Karmal und wurde Ende 1987 von einer Loya Jirga zum Präsidenten gewählt.
Während die reichlich mit USA-Waffen versorgten Mujaheddin die Regierungstruppen bedrängten, entwickelte Najibullah das Konzept der nationalen Versöhnung und verbreiterte die politische Basis seiner Regierung. Zugleich förderte er die Verhandlungen, die im April 1988 in das Genfer Abkommen zur Lösung der äußeren Aspekte des Afghanistankonflikts mündeten. Der darin vereinbarte Abzug der UdSSR-Truppen stellte Najibullah vor schwierige Probleme. Doch die Mujaheddin und ihre Gönner, die glaubten, die Macht in Kabul würde ihnen nach dem Abzug der letzten Moskauer Soldaten im Februar 1989 wie eine reife Frucht in den Schoß fallen, hatten sich geirrt. Der Korankenner par excellence hatte die DVPA inzwischen zur linksnationalen Watan-Partei umprofiliert und mit einer neuen Verfassung den Islam zur Staatsreligion erklären lassen. Erst im Frühjahr 1992 brach die Regierung Najibullahs unter dem Druck der Mujaheddin und dem Seitenwechsel von Usbekengeneral Dostum und anderen Verbündeten zusammen. Als Najibullah am 14. April zurücktrat, konnte er nicht nach Delhi fliegen, wo Frau und Kinder seit einiger Zeit lebten, sondern musste in der Kabuler UNO-Vertretung Schutz suchen. 1996 zerrten ihn die Taliban nach ihrem Einzug in Kabul aus dem UNO-Büro und ermordeten ihn bestialisch.
Ironie der Geschichte: Najibullah hatte die USA schon 1992 gewarnt, islamistische Fundamentalisten würden Afghanistan in ein »Zentrum des Terrors« verwandeln. Und der afghanische USA-Hauptverbündete Ahmad Shah Masud wurde zwei Tage vor dem 11. Se...
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