»Eine Möglichkeit, wieder aktiv zu werden«
Philipe van Parijs vom B.I.E.N. über die Grundeinkommensidee, Missverständnisse und die Zukunft
Philipe van Parijs ist Mitbegründer des weltweiten Netzwerkes für ein Grundeinkommen Basic Income Earth Network (B.I.E.N.). Er lehrt Philosophie, Wirtschaft und Politik an den Universitäten Harvard und Louvain (Belgien). Parijs hielt auf dem Grundeinkommens-Kongress am Wochenende in Wien die Eröffnungsrede. Mit ihm sprach Susanne Götze.
ND: Seit wann beschäftigen Sie sich mit der Idee des Grundeinkommens und wie sind Sie als Philosoph auf das Thema gestoßen?van Parijs: Mitte der 80er Jahre stellte ich mir eine Frage: Wie können wir Alternativen denken, die anders sind als der sowjetische Sozialismus und trotzdem loyal mit der Grundidee des Sozialismus bleiben? Wir wollten aus der Geschichte und von der bis dahin entwickelten Wirtschaftstheorie lernen. Mein erster Vorschlag den ich öffentlich verkündete, war, einen kapitalistischer Weg zum Kommunismus zu gehen. Ich erinnere mich noch daran, dass ich 1984 meine erste Formulierung vom Grundeinkommens in Berlin an der Freien Universität vorgetragen habe. Damals waren 4 Leute da um mir zuzuhören. Jetzt - zwanzig Jahre später - sieht man, wie sich die Situation geändert hat.
Auch dank des B.I.E.N. Wie lange gibt es die Bewegung schon?
Das BIEN wurde 1986 an meiner Universität in Louvain gegründet. Das war die erste Konferenz einer europäischen Grundeinkommensidee. Ab da haben wir alle zwei Jahre einen Kongress organisiert - 2002 zum Beispiel in Berlin. Im letzten Jahr in Barcelona haben wir beschlossen ein weltweites Netzwerk aus BIEN zu machen.
Anfänglich war B.I.E.N. ein europäisches Netzwerk. Wie kam es schließlich zu einem globalen Umdenken?
Ursprünglich glaubte ich, dass ein Grundeinkommen nur in Ländern möglich ist, in denen es einen gewissen Wohlstand und eine gut organisierte Verwaltung gibt. In diesen Ländern, die schon lange ein Sozialhilfesystem haben, wurde das Grundeinkommen auch zuerst diskutiert. Doch dann habe ich entdeckt, dass es Grundeinkommensbewegungen auch in Brasilien und Südafrika gab. Das war natürlich teilweise ein Anschluss an die europäische Diskussion aber es waren autonome Bewegungen. Außerdem wurden mir die Möglichkeiten der modernen Technologie bewusst. Mit der heutigen Technik ist es leicht geworden, auch sehr weitläufige Gesellschaften zu administrieren.
Nicht alle Grundeinkommensbefürworter - auch auf dem Kongress - stimmen damit überein, dass der Begriff der Arbeit so eng an das Grundeinkommen geknüpft ist. Das kann zu Missverständnissen führen.
Das habe ich gemerkt. In Deutschland gibt es eine kleine Organisation für die ich Sympathie habe. Aber ihren Slogan: »Freiheit statt Vollbeschäftigung« kann ich nicht gutheißen. Für mich ist das nicht die richtige Opposition. Bezahlte Arbeit darf zwar nicht das einzige Ziel im Leben sein aber man sollte auch nicht einen derartigen Kontrast zwischen Grundeinkommen und Vollbeschäftigung herstellen. Wenn man Vollbeschäftigung nicht als Vollzeitarbeit für alle deutet, sondern als Möglichkeit für alle Leute, die eine Arbeit wollen, eine Arbeit zu finden, bekommt der Begriff eine ganz andere Dimension. Grundeinkommen bedeutet nicht die Arbeit aufzugeben. Im Gegenteil - es ist eine Möglichkeit, dass die Leute wieder aktiv werden. Zur Zeit gibt es eine repressive Form des aktiven Sozialstaates - wie in Deutschland Hartz IV. Aber es gibt auch eine emanzipatorische Form des aktiven Sozialstaates: das Grundeinkommen.
Das Grundeinkommen soll die Menschen also zur Arbeit animieren, anstatt - wie zur Zeit üblich - durch soziale Zuwendungen Zwang auszuüben?
Richtig. Das Grundeinkommen ist ein Instrument für Vollbeschäftigung: es ist eine neue Methode der Arbeitszeitverteilung. Man macht es den Leute leichter, weniger zu arbeiten, weil ein Teil des Einkommens unabhängig von der Arbeit auf dem Konto ist. Deshalb wird es für Arbeitsuchende einfacher Jobs zu bekommen - nämlich die, die die anderen aufgeben. Ein anderer Aspekt ist die Subventionierung der wenig bezahlten Arbeit. Denn mit einem Grundeinkommen können die Leute frei entscheiden, ob sie den Job akzeptieren oder nicht. Wenn dann wirklich sie Situation eintreten sollte, dass keiner diese Jobs mehr machen will, müssten diese besser bezahlt, die Qualität der Tätigkeit verbessert oder durch Maschinen ersetzt werden.
Mancher, auch auf dem Wiener Grundeinkommens-Kongress, stolperte über Ihre Forderung nach einem vorläufig relativ niedrigen Grundeinkommen.
Wir sollten anfänglich kleine Reformen anvisieren, die uns helfen, die ersten Elemente eines Grundeinkommens zu etablieren. Das wäre an erster Stelle die Einführung eines individuellen Grundeinkommens für jeden Bürger.
Ich denke aber, dass Erwerbsfähige zuerst ein niedrigeres Einkommen beziehen sollten - niedriger als der Rest der Bürger und als das heutige Sozialhilfeniveau. Das Grundeinkommen wäre für arbeitsfähige Bürger dann eine Art Sockelbetrag, auf den dann noch ein an Bedingungen geknüpftes Einkommen draufgesetzt wird. Die Summe der beiden Einkommensschichten muss dabei mindestens so hoch wie heute, wenn nicht noch höher sein. Der Sockelstatus macht es den Leuten dann aber möglich, sich aus ihrer Isolation zu befreien und über die Grenze der Sozialhilfe hinaus mehr zu verdienen.
Langfristig verfolge ich natürlich das Ideal eines höchst möglichen Grundeinkommens. Ich denke, dass wir zwar Ideale und »Wolkenkuckucksheime« haben müssen, aber man sollte nicht vergessen, dahin zu schauen, wohin man seine Füße bewegt. Deshalb brauchen wir in der heutigen Situation in erster Linie Schritte, die in die richtige Richtung gehen.ND: Seit wann beschäftigen Sie sich mit der Idee des Grundeinkommens und wie sind Sie als Philosoph auf das Thema gestoßen?
van Parijs: Mitte der 80er Jahre stellte ich mir eine Frage: Wie können wir Alternativen denken, die anders sind als der sowjetische Sozialismus und trotzdem loyal mit der Grundidee des Sozialismus bleiben? Wir wollten aus der Geschichte und von der bis dahin entwickelten Wirtschaftstheorie lernen. Mein erster Vorschlag den ich öffentlich verkündete, war, einen kapitalistischer Weg zum Kommunismus zu gehen. Ich erinnere mich noch daran, dass ich 1984 meine erste Formulierung vom Grundeinkommens in Berlin an der Freien Universität vorgetragen habe. Damals waren 4 Leute da um mir zuzuhören. Jetzt - zwanzig Jahre später - sieht man, wie sich die Situation geändert hat.
Auch dank des B.I.E.N. Wie lange gibt es die Bewegung schon?
Das BIEN wurde 1986 an meiner Universität in Louvain gegründet. Das war die erste Konferenz einer europäischen Grundeinkommensidee. Ab da haben wir alle zwei Jahre einen Kongress organisiert - 2002 zum Beispiel in Berlin. Im letzten Jahr in Barcelona haben wir beschlossen ein weltweites Netzwerk aus BIEN zu machen.
Anfänglich war B.I.E.N. ein europäisches Netzwerk. Wie kam es schließlich zu einem globalen Umdenken?
Ursprünglich glaubte ich, dass ein Grundeinkommen nur in Ländern möglich ist, in denen es einen gewissen Wohlstand und eine gut organisierte Verwaltung gibt. In diesen Ländern, die schon lange ein Sozialhilfesystem haben, wurde das Grundeinkommen auch zuerst diskutiert. Doch dann habe ich entdeckt, dass es Grundeinkommensbewegungen auch in Brasilien und Südafrika gab. Das war natürlich teilweise ein Anschluss an die europäische Diskussion aber es waren autonome Bewegungen. Außerdem wurden mir die Möglichkeiten der modernen Technologie bewusst. Mit der heutigen Technik ist es leicht geworden, auch sehr weitläufige Gesellschaften zu administrieren.
Nicht alle Grundeinkommensbefürworter - auch auf dem Kongress - stimmen damit überein, dass der Begriff der Arbeit so eng an das Grundeinkommen geknüpft ist. Das kann zu Missverständnissen führen.
Das habe ich gemerkt. In Deutschland gibt es eine kleine Organisation für die ich Sympathie habe. Aber ihren Slogan: »Freiheit statt Vollbeschäftigung« kann ich nicht gutheißen. Für mich ist das nicht die richtige Opposition. Bezahlte Arbeit darf zwar nicht das einzige Ziel im Leben sein aber man sollte auch nicht einen derartigen Kontrast zwischen Grundeinkommen und Vollbeschäftigung herstellen. Wenn man Vollbeschäftigung nicht als Vollzeitarbeit für alle deutet, sondern als Möglichkeit für alle Leute, die eine Arbeit wollen, eine Arbeit zu finden, bekommt der Begriff eine ganz andere Dimension. Grundeinkommen bedeutet nicht die Arbeit aufzugeben. Im Gegenteil - es ist eine Möglichkeit, dass die Leute wieder aktiv werden. Zur Zeit gibt es eine repressive Form des aktiven Sozialstaates - wie in Deutschland Hartz IV. Aber es gibt auch eine emanzipatorische Form des aktiven Sozialstaates: das Grundeinkommen.
Das Grundeinkommen soll die Menschen also zur Arbeit animieren, anstatt - wie zur Zeit üblich - durch soziale Zuwendungen Zwang auszuüben?
Richtig. Das Grundeinkommen ist ein Instrument für Vollbeschäftigung: es ist eine neue Methode der Arbeitszeitverteilung. Man macht es den Leute leichter, weniger zu arbeiten, weil ein Teil des Einkommens unabhängig von der Arbeit auf dem Konto ist. Deshalb wird es für Arbeitsuchende einfacher Jobs zu bekommen - nämlich die, die die anderen aufgeben. Ein anderer Aspekt ist die Subventionierung der wenig bezahlten Arbeit. Denn mit einem Grundeinkommen können die Leute frei entscheiden, ob sie den Job akzeptieren oder nicht. Wenn dann wirklich sie Situation eintreten sollte, dass keiner diese Jobs mehr machen will, müssten diese besser bezahlt, die Qualität der Tätigkeit verbessert oder durch Maschinen ersetzt werden.
Mancher, auch auf dem Wiener Grundeinkommens-Kongress, stolperte über Ihre Forderung nach einem vorläufig relativ niedrigen Grundeinkommen.
Wir sollten anfänglich kleine Reformen anvisieren, die uns helfen, die ersten Elemente eines Grundeinkommens zu etablieren. Das wäre an erster Stelle die Einführung eines individuellen Grundeinkommens für jeden Bürger.
Ich denke aber, dass Erwerbsfähige zuerst ein niedrigeres Einkommen beziehen sollten - niedriger als der Rest der Bürger und als das heutige Sozialhilfeniveau. Das Grundeinkommen wäre für arbeitsfähige Bürger dann eine Art Sockelbetrag, auf den dann noch ein an Bedingungen geknüpftes Einkommen draufgesetzt wird. Die Summe der beiden Einkommensschichten muss dabei mindestens so hoch wie heute, wenn nicht noch höher sein. Der Sockelstatus macht es den Leuten dann aber möglich, sich aus ihrer Isolation zu befreien und über die Grenze der Sozialhilfe hinaus mehr zu verdienen.
Langfristig verfolge ich natürlich das Ideal eines höchst möglichen Grundeinkommens. Ich denke, dass wir zwar Ideale und »Wolkenkuckucksheime« haben müssen, aber man sollte nicht vergessen, dahin zu schauen, wohin man seine Füße bewegt. Deshalb brauchen wir in der heutigen Situation in erster Linie Schritte, die in die richtige Richtung gehen.
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