»Die Leute wollen Geschichten hören«

Sagen und Tourismus am Rhein

  • Bettina Grachtrup
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.
Die Sage von der Loreley ist weltweit bekannt: Die hübsche Jungfrau kämmt sich auf dem Felsen die Haare und betört die Schiffer so sehr, dass sie auf dem Rhein ins Verderben fahren. Dies ist nur eine von vielen Geschichten, die aus dem Rheintal überliefert sind. Der in Köln lebende Autor Klaus-Peter Hausberg fasste einige Erzählungen in dem neuen Buch »Rheinische Sagen & Geschichten« zusammen und ergänzte sie um Informationen für Touristen, die auf den Spuren der Andernacher Bäckerjungen oder des Koblenzer Augenrollers wandeln wollen. Viele Kommunen nutzen Sagen bereits, um Touristen anzuziehen und zu unterhalten. »Wir haben die Bäckerjungen komplett vermarktet«, heißt es in der Touristeninformation der Stadt Andernach. Die Gäste können an einem Empfang der Bäckerjungen Fränzje und Döres teilnehmen und lernen dabei die Sage um deren mutige Rettung der Stadt vor den Angreifern aus Linz kennen. Wie Ferdinand Argenton vom Kulturamt erzählt, kennen viele ältere Besucher die Erzählung, weil sie vor 50 bis 70 Jahren auch in Schulbüchern stand. »Sie wurde in mehrere Sprachen übersetzt.« In Mayen rankt sich eine tragische Geschichte um die heilige Genoveva. Sie ist auch Besuchern aus Belgien, Spanien und Frankreich ein Begriff, sagt der Leiter des Eifelmuseums auf der Genovevaburg, Bernd Oesterwind. Obwohl diese Sage kaum wahr sein dürfte, spielte sie seit langem eine große Rolle im Volksglauben. »Das ist wie mit dem Alten Testament: Wenn mans glaubt, ist es wahr, wenn nicht, ist es eine schöne Geschichte«, sagt Oesterwind. Im Gegensatz zu Märchen haben Sagen aber meistens einen wahren Kern und werden mit konkreten Orten in Verbindung gebracht, heißt es in der Einleitung des neuen Sagenbuchs von Hausberg. So diente die Legende von der Loreley den Schiffern, die ihre Kähne in der Rheinschlucht mit Stromschnellen und der Felsklippe nicht mehr unter Kontrolle hatten, als Ausrede für die eigene Unfähigkeit. Der berühmte Felsvorsprung gehört vor allem für Japaner zum Muss eines Deutschlandbesuches. »Sie lernen das Loreley-Lied in der Schule«, weiß Claudia Schwarz von der Rhein-Touristik in St. Goarshausen. »Sagen sprechen vor allem emotional an und bieten damit einen einfachen Zugang zur Geschichte«, sagt Geraldine Roden von Burgen, Schlösser, Altertümer Rheinland-Pfalz. Nach ihren Worten helfen die Geschichten den Besuchern, Orte in Erinnerung zu behalten. Gästeführer erzählen Touristen längst nicht mehr nur die nackten Fakten zu einer Sehenswürdigkeit. »Die Leute wollen Geschichten hören«, so Ulrich Helsper, der Reisegruppen durch Koblenz begleitet. An der Legende vom Augenroller und dessen Fratze unter der Stadtuhr am Florinsmarkt hätten vor allem Amerikaner ihren Heidenspaß. Für Briten ist dagegen laut Helsper vor allem die Geschichte von Idilia Dubb interessant. Die junge Engländerin kletterte im 19. Jahrhundert auf den Turm von Burg Lahneck bei Koblenz, saß dann dort fest und verhungerte. Ihre letzten Stunden zeichnete sie in einem Tagebuch auf. Es wurde später bei Restaurierungsarbeiten auf der Burg zusammen mit den Knochen der Toten gefunden. »Das hört sich an wie eine Sage«, s...

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